Aasige Abgänge

■ Hüte dich vor dem Weizengrieß! Denn schlimmer als Hülsenfrucht treibt(s) Kuskus!

In Agadir checkten wir im Hotel „Adrar“ ein, das Zimmer hatte zwei hintereinander stehende Betten. Nach einigem Hin und Her bekamen wir ein anderes mit einem französischen Bett. Es stellte sich bald heraus, dass der Trakt, in dem wir wohnten, in der Vorsaison nicht beheizt wurde. Also Grabeskälte im Zimmer. Schon etwas irre, ein Luxusbunker mit teilweise unbeheizten Räumen. Zum Aufwärmen entdeckten wir die Hotelsauna und besuchten sie täglich, anschließend ging's zum Abkühlen in den ungeheizten Swimmingpool. Prompt nannten uns die Marokkaner, weil wir mit der Kälte so gut zu Rande kämen, „Eisbären“.

Egal, das Schwitzen tat uns gut, aber, wie sich bald zeigte, so richtig doch nicht. Denn das Ausschwemmen der Mineralien bei den Saunagängen verband sich mit dem Hotelfraß – dummerweise hatten wir Halbpension gebucht – zu einem Symptomgeflecht. Gleich am ersten Tag gab es Kuskus, der Weizengrieß quoll erst im Magen so richtig auf. Wir furzten gottserbärmlich, wie wir es nur ein zweites Mal erlebt haben, als wir uns mal kanadische gebackene Bohnen mit Ahornsirup gekocht hatten. Das war eine so gefährliche Mischung, dass Marron – Hunde sind ja bekanntlich Schweine und lieben eigentlich derartig aasige Gerüche – neben unserem Bett sich seufzend erhob und trollte. Auch am nächsten Tag taten die maghrebinischen Köche alles, um uns zu verstopfen. Nach drei Tagen hatten wir ernsthafte Magenprobleme, furchtbare Blähungen, wie es in dem alten Abzählreim heißt: „Es war einmal ein Mann, der hieß Pupan / Pupan hieß er, drei Fürz' ließ er / einen auf den Tisch, der war frisch / einen auf die Bank, der war krank / einen auf die Kommod', der war tot ...“

Alle hatten diese Bäuche unter den Hawaiihemden

Von ähnlicher Art waren unsere Fürze in Agadir, als hätte man einen toten Vogel in der Tasche. Es ging uns aber nicht alleine so! Ein schwedisches Pärchen war mit uns angekommen, beide dünne, lange Lulatsche. Nach wenigen Tagen sah die Frau aus – so schnell kann man ja nicht hochschwanger werden –, als ob sie einen Medizinball verschluckt hätte. Sie trug, trotz der frischen Witterung, Hotpants und ein bauchfreies T-Shirt. Unter seinem geringelten Hemd blähte sich ebenfalls eine Plauze. Die waren genauso aufgeblasen wie wir. Wir beobachteten sie, während sich ihre Gruppe zu einer Bus-Exkursion vor dem Hotel versammelte. Ach, alle hatten diese Bäuche unter den Hawaiihemden. Abends sahen wir die beiden zufällig wieder, als die Gruppe aus dem Anti-Atlas zurückkehrte. Der Schwede stieg mit einem Federkranz auf dem Kopf aus dem Bus. Weiß der Himmel, was für einen Bären ihm die Händler im Souk über Sinn und Herkunft dieser Trophäe aufgebunden hatten! Jedenfalls hatten sie seinen Geschmack getroffen, denn das Ding sah aus wie eine Kreuzung aus Indianerschmuck und Sonnwendfeier-Lichterkranz.

Wie gelähmt stand der Turban in einer Jauchewolke

Den letzten Ausschlag, der „internationalen Atmosphäre unter Schweizer Leitung“ und dem kühlen Strand zu entfliehen, gab eine peinliche Episode in den Betonkolonnaden unterhalb des Hotels „Adrar“. Dort wollten wir Zigaretten kaufen. Barbara kam aus gutem Grund nicht mit in den Laden, sondern guckte sich draußen am Ständer angelegentlich die Postkarten an. Aber als ich wieder herauskam, stand eine fremde Frau an der Drehsäule und nicht mehr Barbara.

Es war eine etwa vierzigjährige, elegante Dame mit weißem Turban, in flatternde weiße Seide gehüllt, vermutlich eine Französin aus dem Club Méditerranée gegenüber. Und ich roch einen widerlichen Gestank, da war mein erster Gedanke: Mensch, die Frau hat sich in die Hose geschissen! So glotzten auch die Passanten auf sie. Der weiße Turban stand wie gelähmt da mit gelben Mundwinkeln in einer Jauchewolke.

Dann erinnerte ich mich an Barbaras furchtbare Kuskus-Marke, solche Situationen laufen ja mit einer Geschwindigkeit von Hundertstelsekunden ab. Ich entdeckte Barbara etwa zehn Meter entfernt, sie konnte sich das Lachen kaum verbeißen, sah sich sehr interessiert in einem Schaufenster Bootleg-Koffer von Louis Vuitton an, von denen sie sogar die echten nie im Leben benutzen würde.

Barbara Kalender/Jörg Schröder

Aus: „Schröder erzählt“, 37. Folge, „Pingpong“ (August 1999). MÄRZ Desktop Verlag, Rosenaustraße 70, 86152 Augsburg