Ecuador auf Rang acht gesmasht

Nicolas Lapentti, der gestern zum Auftakt der ATP-WM gegen Andre Agassi spielte, hat in seiner Heimat einen formidablen Tennisboom ausgelöst    ■ Aus Hannover Matti Lieske

Eigentlich sollte Nicolas Lapentti ja Basketballer sein. Als solcher hatte es nämlich sein Vater zum ecuadorianischen Nationalspieler gebracht. Doch der hoffnungsvolle Sprössling verriet schon in jungen Jahren einen Hang zu wesentlich kleineren Bällen.

Beim Beach-Tennis am Strand nahe seiner Heimatstadt Guayaquil habe er bereits ausgeprägtes Ballgefühl bewiesen, berichtet Vater Nicolas, und mit siebeneinhalb Jahren wurde Sohn Nicolas beim Guayaquil Tennis Clubangemeldet, aus dem so berühmte Spieler wie Pancho Segura oder Andres Gomez hervorgegangen waren.

Nicolas Lapentti erwies sich als würdiger Nachfolger der beiden großen ecuadorianischen Tennishelden, wurde zum ersten Top-Ten-Spieler seines Landes seit Gomez, und gestern durfte der nunmehr 23-Jährige zur Belohnung in Hannover den Auftakt der ATP-WM gegen Andre Agassi bestreiten.

„Niemand beachtet mich“, hatte Nicolas Lapentti, der Newcomer, vor dem Turnier gesagt, „und ich liebe Überraschungen. Vielleicht kann ich ja eine liefern.“ Gegen Agassi gelang das vorerst nicht, in nur 70 Minuten unterlag er deutlich mit 6:1 und 6:2. Entmutigen lässt er sich aber nicht: „Ich bin hier, also will ich auch gewinnen“, sagt Lapentti und macht deutlich, dass er sich in Hannover keineswegs als Mitläufer sieht.

Doch auch, wenn es nicht funktioniert mit dem Weltmeistertitel, kann der Ecuadorianer auf ein überaus erfolgreiches Jahr zurückblicken. Als Nummer 92 hatte er die Saison 1998 abgeschlossen, mit einem größeren Anlauf ist bisher nur einer zur ATP-WM gekommen: Andre Agassi im vergangenen Jahr, als er sich vom Ranglistenplatz 122 in die Top Ten katapultiert hatte.

Für Lapentti kam der Wendepunkt im Januar bei den Australian Open, wo er erst im Halbfinale an Thomas Enqvist scheiterte. Erfolg gebiert Erfolg, ist der Aufsteiger der Saison überzeugt: „Wenn du gewinnst, bekommst du Selbstvertrauen, Spielpraxis und wirst stärker, wenn du verlierst, gehst du heim.“ Dort war er in diesem Jahr nur wenig anzutreffen, zumindest in leibhaftiger Inkarnation. Dafür wird fast jedes seiner Matches im Fernsehen übertragen.

In Ecuador hat sein Triumphzug mit den Turniergewinnen von Indianapolis und Lyon für keinen schlechten Tennisboom gesorgt, und seine Popularität in der Heimat ist jener vergleichbar, die Marcelo Rios in Chile oder Gustavo Kuerten in Brasilien genießen. Das südamerikanische Tenniswunder – zum ersten Mal waren in diesem Jahr drei Spieler zugleich unter den Top Ten – hat in Ecuador jedoch noch einen besonderen Aspekt.

„Wir haben nicht so viele gute Sportler wie Argentinien oder Brasilien, zwei, drei Fußballer, vielleicht ein Leichtathlet, ein Tennispieler“, sagt Lapentti, „darum sind immer alle besonders glücklich, wenn jemand Erfolg hat.“ Sportart Nummer eins sei zwar Fußball, aber dann käme auch schon sein Metier. „Tennis hat Ecuador die schönsten Momente gegeben“, etwa 1990, als Andres Gomez die French Open gewann – gegen Andre Agassi. Dennoch gibt es nur relativ wenige Tennisspieler in dem Zwölf-Millionen-Einwohner-Land. „Tennis ist teuer“, sagt Lapentti, „es gibt keine öffentlichen Plätze, und man muss mindestens der Mittelklasse angehören, um es betreiben zu können.“

Zwar verfügt der Verband über ein Trainingszentrum, doch da seien nur wenige Talente, weil es an Geld fehle. „Ecuador hat nie viele gute Spieler gehabt“, erklärt der Weltranglisten-Achte, „aber immer einen guten.“ Das soll sich ändern. Der 16-jährige Giovanni Lapentti, bereits Mitglied des ecuadorianischen Davis-Cup-Teams, ist nach Meinung des Vaters besser als Nicolas in diesem Alter, und auch der jüngste Sohn zeige mit seinen acht Jahren enormes Talent. Die Zukunft der Tennisfamilie Lapentti scheint gesichert. Nur Basketballer wird wohl keiner werden.