Die „Halleluja“-Falle

■ Händel und ein Hit: John Neumeier choreografiert den Messias

In einem wahren Schaffensrausch, zwischen dem 22. August und dem 14. September 1741, brachte Georg Friedrich Händel seinen Messias zu Papier. Kein Wunder: Dublin hatte gerufen. Die Atmosphäre in London war in den vergangenenen Jahren immer giftiger geworden, der ehemals gefeierte Hofkomponist zunehmend erfolglos, seine letzten Opern und Oratorien wurden scharf kritisiert bis totgeschwiegen, seine Person geriet zur Zielscheibe des Spotts. Die Einladung des irischen Vizekönigs musste ihm da wie eine göttliche Fügung erschienen sein. Der 56-Jährige dankte es mit einem Werk, das heute oft als Händels größtes angesehen wird und gleichzeitig wohl sein populärstes ist.

„Halleluja“ heißt die unsterbliche Hymne, die selbst jene anstimmen können, die Händel für etwas zu essen oder zu rauchen halten. Die weltbekannte Lobpreisung des Herrn ist Wucherpfund und Krux in einem, wenn man sich dem Messias heutzutage außermusikalisch nähern will, wie John Neumeier dies nun mit seiner neuen Choreografie vorhat. Die Vorzüge des Stoffes liegen dabei auf der Hand: Er macht sich nach der damals heiß diskutierten Auseinandersetzung mit Bachs Matthäus-Passion (1981), nach Magnificat (1987) und Requiem (1991) gut in der sakralen Abteilung der Werkgeschichte des Hamburger Ballett-Chefs. Andererseits erzählt der Text des Messias als eine rein thematisch motivierte Zusammenstellung von Bibelstellen aus dem Alten und dem Neuen Testament rund um das Erlösungsmotiv keine Geschichte, was seiner Arbeitsweise entgegenkommt.

Gegen das Tappen in die Popularitätsfalle hat Neumeier eine Modernitätsversicherung abgeschlossen: Das „Veni Sancte Spiritus“ und das „Agnus Dei“ aus Arvo Pärts Berliner Messe dienen ihm als Klammer für den Abend. Und hinterm Pult steht ein alter Verbündeter: Günter Jena, 24 Jahre lang Kirchenmusikdirektor am Michel, hat auch die anderen „geistlichen“ Neumeier-Ballette dirigiert.

Ralf Poerschke

Premiere: So, 28. November, 18 Uhr, Staatsoper