Sozialpolitisches Versagen ohne Konzept

■ Hilfen zur Erziehung: Gutachten wirft Jugendbehörde Rechtsbruch vor

Auch juristische Gutachten helfen in der täglichen Politik nur bedingt. Mit einem solchen wollte der Regenbogen gestern in der Bürgerschaft Jugendsenatorin Rosemarie Raab (SPD) „einen kalkulierten Rechtsbruch“ nachweisen. Raab hatte Ende September einen Bewilligungsstopp bei dem Programm Hilfen zur Erziehung verfügt. SPD und GAL nahmens gelassen: Der Regebogenantrag, diesen Stopp zu widerrufen, wurde mit rot-grüner Mehrheit abgelehnt.

Auch das Vorhaben, eine umfangreiche Senatsantwort auf eine detaillierte Große Anfrage der CDU zur weiteren Debatte in den Jugendausschuss zu verweisen, lehnten SPD und GAL ab.

Die Jugendbehörde hatte am 29. September den Bezirksämtern schriftlich mitgeteilt, dass Erziehungsbeistände, Betreuungshelfer und Sozialpädagogische Familienhilfen bis Ende des Jahres nur noch in Ausnahmefällen genehmigt werden dürfen, wenn beispielsweise ein Kind misshandelt oder in einem Heim untergebracht werden müss-te. Alle Familien, die diese Hilfen bisher bekommen, sollten überprüft werden. Ziel der Jugendbehörde ist es, mindestens 200 Familien die Hilfen zur Erziehung zu streichen. Diese Verfügung hatte bei den sozialen Trägern für Unmut und Widerstand gesorgt (taz berichtete).

Der Regebogenabgeordnete Lutz Jobs begründete seinen Vorwurf des Rechtsbruchs durch die Jugendbehörde gestern mit einem Kurzgutachten des Arbeitsrechtlers Jens Peter Hjort. Der kommt in einer Expertise zu dem Schluss, das Vorgehen der Behörde sei „eindeutig rechtswidrig“. Nach dem Sozialgesetzbuch hätten, befindet Hjort, „Leistungsberechtigte das Recht zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Auf dieses Recht sind sie hinzuweisen. Der Wahl und den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist.“ Dennoch könnte nach Meinung des Juristen „aber nur der jeweils Betroffene nach Ablehnung eines entsprechenden Antrags dagegen vorgehen“.

„Sozialpolitisches Versagen“ warf auch die Unions-Abgeordnete Bettina Pawlowski Senatorin Raab vor. Die so Gescholtene ging auf die Vorwürfe der beiden Oppositionsparteien nicht konkret ein. In Hamburg seien die Hilfen zur Erziehung in den vergangenen Jahren in allen Bereichen „zielstrebig ausgebaut“ worden, erklärte Raab. Von einem „Unterlaufen von Rechtsansprüchen“ könne überhaupt keine Rede sein.

san/ smv