Hanseatisches Mopelnopoly

■  Probleme, so alt wie ihr Maskottchen: Auch nach ihrem Verkauf liegt bei der „Hamburger Morgenpost“ manches im Argen. Aber vielleicht bekommt sie ja heute einen neuen Chef

Der Mopel ist ein rotes Knollenmonster. Er ist das Maskottchen eines Gewinnspiels, das dem britischen Bingo ähnelt. Und er steht für eine Ära bei der Hamburger Morgenpost, die die Redaktion der hanseatischen Boulevardzeitung überwunden glaubte. Sie täuschte sich.

Seit dem 1. November hat die Mopo, wie Hamburger ihre kleinformatigste Zeitung (Auflage: rund 140.000) mehr oder weniger liebevoll nennen, neue Besitzer. Der Versandhauserbe Frank Otto und der Künstlerenkel Hans Barlach hatten die Anteile von Gruner + Jahr (G + J) sowie von Hans Dichand, dem Verleger der österreichischen Neuen Kronenzeitung, im Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel übernommen und überführten sie in die neu gegründete Firma City-Boulevard.

„Noch kein Konzept“, aber Führungsriege reformiert

Zunächst heulten die Angestellten auf, war doch der Verkauf ohne vorherige Information über die Bühne gegangen. Dann aber freundeten sich die Redakteure mit dem Gedanken an, nicht mehr unter dem Diktat von G + J zu stehen. Zu sehr stand der Verlagsriese im Verruf, die Mopo an den Rand des Konkurses gebracht zu haben. Unter anderem mit Aktionen wie dem Mopel. „Beim ersten Mal konnten wir die Auflage ja noch steigern, schließlich mussten wir den Gewinnspielen in derBild etwas entgegensetzen“, gibt ein Redaktionsmitglied zu. Doch schon beim zweiten Mal stand der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis mehr zum Erfolg.

Mit Otto und Barlach, so hoffte man intern, würden sich die Blatt-Strukturen verbessern, gab doch gerade Otto von Anfang an die Devise aus: „Wir bauen auf die bestehende Mannschaft. Das ist die Ressource, die wir haben.“ Vorbei schien die Zeit, als G + J, in persona des verhassten Zeitungsvorstands Bernd Kundrun, über die wichtigen Personalbesetzungen wie den Posten des Chefredakteurs entschied, ohne auf Einsprüche der Redaktion zu hören. So stieß beispielsweise die Berufung von Mathias Döpfner, seit letztem Jahr gefeierter Chefredakteur der Welt, 1996 auf einhellige Ablehnung. Nun urteilt der Betriebsrat über Döpfner: „Er hat der Mopo das Genick gebrochen“, weil unter ihm die Kosten stiegen, die Auflage (bei Döpfners Antritt noch über 150.000) aber unbeirrt weitersank.

Und jetzt, unter den neuen Besitzern, gibt es doch wieder das alte Gewinnspiel. Und die alten Querelen. Denn obwohl Otto und Barlach noch am 21. Oktober, dem Tag, an dem die Übernahme öffentlich wurde, verkündeten, sie hätten „noch kein konkretes Konzept“, reformierten sie schon eine Woche später bei ihrem Amtsantritt die Führungsriege und etablierten ein Triumvirat: Marcus Ippisch (Berliner Kurier) wurde Verlagsgeschäftsführer, Wieland Sandmann, (Bild-Regionalredaktion Hamburg) wurde Redaktionsdirektor und Josef Depenbrock „publizistischer Berater“. Eine etwas eigentümliche Stellenumschreibung, die schon heute korrigiert werden könnte, wenn Frank Otto im Hamburger Presseclub einen kleinen Vortrag über die neue Strategie der Zeitung halten wird. Gut möglich, so spekuliert nicht nur das Fachblatt Kontakter, dass Otto dann Depenbrock als neuen Chefredakteur vorstellt. Das neue Trio kennt sich schließlich bereits aus vergangenen Zeiten bei der Bild – und die derzeitige Chefredakteurin Marion Horn hat angekündigt, die Mopo zu verlassen.

Kosten sparen auf Kosten der Redaktion

Die Redaktion indes erregt sich schon jetzt über die neuen Besitzer wie vormals über Gruner + Jahr. „Diese Entscheidungen zeigen doch, dass Otto und Barlach auf unsere Erfahrungen und Ideen keinen Wert legen“, ereiferte sich der Betriebsrat und weiß Redaktion und Belegschaft hinter sich. Zu sehr hatte man sich gewünscht, dass entscheidende Stellen intern besetzt werden.

So bleibt die Stimmung geprägt von Unsicherheit. Die Signale, die die neue Führung gegeben hat, sind deutlich: Bei der Mopo zu arbeiten ist nicht mehr attraktiv, die erwartbare Fluktuation müsste durch Umverteilung kompensiert werden. Im Klartext: Immer weniger Redakteure sollen die gleiche Arbeit leisten. Das spart Kosten, setzt aber die ohnehin stark belastete Redaktion weiter unter Druck. „Den Neuen fehlt die Ruhe“, erzählt ein Mitarbeiter, „alle schauen denen auf die Finger.“ Da könnten Otto und Barlach es sich nicht erlauben, erst in einem halben Jahr Ergebnisse nachzuweisen, sondern müssen das defizitäre Blatt so schnell wie möglich umstrukturieren und aus der Verlustzone führen.

Noch immer liegt also der Mopel in einer Badewanne voller Geld. Immerhin darauf können sich Barlach und Otto berufen: Auf ihrem Mist ist das unsinnige Gewinnspiel nicht gewachsen. Da galt es, bereits geschlossene Verträge zu halten. Den Relaunch der Hamburger Morgenpost im nächsten Jahr werden sie selbst zu verantworten haben.

Eberhard Spohd