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■ Pampuchs TagebuchEin Winterabend mit dem Elch und mit der Maus

Meine gute Freundin A., ihres Zeichens Computerexpertin und -beraterin für die Bayerischen Staatstheater und für mich, überraschte mich neulich auf unserem regelmäßigen Schwabinger Trink- und Diskutiertreffen mit einer neuen Lebensphilosophie. Nachdem sie mir so nebenbei meine Festplatte aufgeräumt hatte (mit Programmen/Zubehör/Systemprogrammen/Scandisc – wusste ich gar nicht, dass es das gibt) und dann noch den moribunden Altcomputer meines Hausgenossen mit ein bisschen Rumfummeln in dessen Eingeweiden wieder zum Laufen gebracht hatte, erklärte sie hernach beim Wein, dass sie fürderhin nicht mehr zu Ikea fahren werde, sondern ihre Möbel in Zukunft über das Netz zu ordern gedenke. Ikea.de sei absolut stressfrei, man könne sich alles in Ruhe ansehen und bestellen und außerdem seien die Straßen jetzt eisig und glatt.

Wir anderen konnten ihr da nur zustimmen. Solange Ikea keine Elch- oder Rentierschlitten zur Verfügung stellt, ist der Erwerb eines Sofas im Münchner Winter ein gefahrvolles Unterfangen. Sonntagabend leistete ich mir dann das Vergnügen eines kleinen stressfreien Einkaufsbummels bei Ikea.de. „Entdecken sie die Möglichkeit!“ blinkte es mir blaugelb entgegen, und ich trat ein in den schwedischen Konsumtempel, der seit 30 Jahren Deutschland und die Welt mit Billys und anderem Holzwerk versorgt. Als gewissenhafter User klickte ich erst einmal brav sämtliche Hintergrundbuttons an. So konnte ich das Geheimnis lösen, was Ikea eigentlich heißt: Es steht für Ingvar Kamprad Elmtaryd Agunnaryd, den Namen des Gründers sowie des Hofes und des Dorfes, in dem er aufwuchs. Außerdem erfuhr ich, dass Ikea 11.400 Produkte hat, die in 60 Ländern von 2.000 Lieferanten hergestellt werden, 75 Prozent davon aus Holz. Auf einer umfangreichen Seite lobt sich Ikea dann wegen seines großen Umweltbewusstseins und unterbreitet uns dabei den „Ikea Umweltgrundsatz“: „Wir müssen in allen Teilen der IKEA-Welt stets darum bemüht sein, evtl. umweltschädliche Auswirkungen durch unsere Tätigkeit so gering wie möglich zu halten.“

In dieser ehrlichen Bescheidenheit schon fast wieder evtl. empfehlenswert. Wenn vielleicht auch so gering wie möglich – der Umwelt zuliebe, und wenn man bedenkt, dass die IKEA-Welt 1999 schon 15 Millarden Mark Umsatz gemacht hat. Doch für mich gab es kein Halten mehr. Ich betrat den „Eingangsbereich“ und wurde sogleich mit nahezu meditativer Suggestion eingewiesen: „Jetzt heißt es den Stress vergessen und entspannt die Welt von Ikea genießen“. Es gab „Ikea kennenlernen“- und „Ikea erleben“-Knöpfchen, und ich sah allerhand Bildchen, auf denen dann „jeweils fünf hilfreiche Hinweise“ für mich versteckt waren. Doch ich wollte endlich einkaufen. Also klickte ich „Suchen“ und gab probeweise mal „Küchenstuhl“ ein. Nichts. Ich probierte es mit „Espressomaschine“, dann verzweifelt „Billy“ und sogar „Bett“, doch der „Suchbegriff wurde nicht gefunden“. ber den Knopf „Sitemap“ kam ich zu „Ikea online“ und zur Liste „Wohnzimmer Aufbewahrung Esszimmer IKEA Kinderwelt Küche Schlafzimmer Beleuchtung Badezimmer“. Doch immer wenn ich einen Begriff anklickte, kam: „Diese Produktseite ist optimiert für einen Browsen (stand so da) mit IE Version 4 oder Netscape 4.5 und höher. Sie können diese an vielen Stellen kostenlos im Internet herunterladen.“

Ich aber wollte weder einen Browser noch eine Brause. Ich wollte einen hübschen Küchenstuhl. Oder eine gute Espressomaschine. Doch dem E-Kommerzianten gerät alles zur Browse. Nächste Woche browse ich mit A. zu Ikea. In einem Elchschlitten – der Umwelt zuliebe.

Thomas Pampuch

ThoPampuc@haol.com

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