UN-Großeinsatz soll Sierra Leone Frieden bringen

■ Die Stationierung der weltweit größten Blauhelmtruppe mit 6.000 Mann beginnt

Berlin (taz) – In Sierra Leone beginnt heute die formal weltweit größte UN-Blauhelmmission. Mit 6.000 Soldaten soll die so genannte Unamsil Frieden in das westafrikanische Bürgerkriegsland bringen und die bisherige westafrikanische Eingreiftruppe Ecomog wie auch die seit einigen Monaten stationierte UN-Militärbeobachtertruppe ablösen. Der Großeinsatz markiert die aktive Rückkehr der Vereinten Nationen in die Konfliktlösung in Afrika. In Ex-Jugoslawien und Osttimor sind zwar größere internationale Eingreiftruppen unter UN-Mandat stationiert, aber sie stehen nicht unter UN-Kommando.

Ziel der Truppe ist die Durchsetzung des Friedensabkommens, das Sierra Leones Regierung und die gegen sie kämpfende Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) am 7. Juli in Togos Hauptstadt Lomé unterzeichneten. Das Abkommen, das einen siebenjährigen extrem brutalen Bürgerkrieg beendete, sah die Aufnahme der RUF-Guerilla in die Regierung des gewählten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah vor. Die kämpfenden Gruppen – auch mehrere Milizen, die nicht direkt am Friedensabkommen beteiligt waren -–sollten unter UN-Aufsicht entwaffnet werden. Die auf Seiten Präsident Kabbahs kämpfende Eingreiftruppe Ecomog, die von Nigeria dominiert wird und im Juli 12.000 Mann umfasste, sollte dann von einer UN-Truppe abgelöst werden.

Am 22. Oktober bewilligte der UN-Sicherheitsrat die Stationierung von 6.000 Blauhelmsoldaten mit einem friedenserzwingenden Mandat unter Kapitel VII der UN-Charta. Am Vortag hatte Präsident Kabbah die Aufnahme der Rebellen in sein Kabinett angekündigt. Die neue Ministerriege wurde am 2. November vorgestellt.

Rückgrat der UN-Truppe ist nach wie vor Nigeria, das 2.250 der 6.000 Blauhelme stellen wird – sämtlich der bisherigen Ecomog-Truppe entnommen. Ghana, Guinea und Mali stellen kleinere Kontingente, so dass insgesamt 4.000 Soldaten aus Westafrika kommen werden. Indien und Kenia entsenden jeweils 1.000 Mann; ihre Ankunft wird morgen erwartet. Kommandant der Truppe ist ein Inder. Den Posten des UN-Sonderbeauftragten, der die Mission politisch führt, bekommt der Nigerianer Oluyemi Adeniji, bisher Leiter der UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik. Adeniji soll jedoch erst nach Sierra Leone kommen, wenn die UN-Mission in der Zentralafrikanischen Republik Mitte Februar 2000 beendet wird.

Die Entsendung einer so großen UN-Mission ist ein Vertrauensbeweis in den Frieden in Sierra Leone. Ob die UN-Soldaten tatsächlich in der Lage sind, den Frieden zu wahren, hängt vom Kooperationswillen der Kriegsparteien ab – vor allem dem der RUF, die mit der Aufnahme in die Regierung ihre Kriegsziele nur zum Teil erreicht hat. Bisher kommen von der RUF, die sich formal in eine politische Partei umgewandelt hat, mehrheitlich friedliche Töne. Aber das friedenserzwingende Mandat der UN-Truppe lehnen die Rebellen ab, und ihre Kämpfer beeilen sich nicht, die Waffen abzugeben. In den Anfang November eröffneten Demobilisierungslagern hatten sich bis zum 18. November nach UN-Angaben nur 999 Kämpfer eingefunden, darunter 94 Kinder.

Eine wichtige Aufgabe der UN-Truppen wird es sein, humanitäre Hilfe für die Not leidende Bevölkerung in den Bürgerkriegsgebieten zu ermöglichen. Seit dem Friedensschluss hat die Zahl registrierter Kriegsflüchtlinge stetig zugenommen, da sich immer mehr verängstigte, kranke und mittellose Menschen aus ihren Waldverstecken zurück in die Dörfer trauen. Bisher war es den internationalen Hilfsorganisationen auf Grund anhaltender Überfälle bewaffneter Gruppen nur in den wenigsten Fällen möglich, ihnen dort Nothilfe zukommen zu lassen.

Dominic Johnson