Neuseeland hat die Wahl zwischen zwei Frauen

■ Umfragen deuten auf Machtwechsel mit der Möglichkeit zu rosa-rot-grüner Regierung

Berlin (taz) – Nach neun Jahren an der Regierung droht Neuseelands konservativer National-Partei bei den Parlamentswahlen am Samstag der Machtverlust. Gestern feuerte Premierministerin Jenny Shipley noch den Einwanderungsminister. Der unabhängige Maori-Politiker hatte zwölf Chinesen die Staatsbürgerschaft eingeräumt unter der Bedingung, dass sie in Projekte von Maoris investieren. Damit verstieß er gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Affäre dürfte die Wahlchancen der Regierungskoalition weiter verschlechtern. Die National-Partei lag schon zuvor in Umfragen acht bis zehn Prozent hinter der oppositionellen Labour-Partei.

Shipley räumte mit der Bezeichnung ihrer Partei als „Underdog“ am Montag erstmals die Möglichkeit der Niederlage ein. Erst vor zwei Jahren hatte sie in einem parteiinternen Putsch die Macht von Jim Bolger übernommen, als dieser gerade im Ausland weilte. Sie wird jetzt von Labour-Führerin Helen Clark herausgefordert. Neuseeland, das 1893 als erstes Land der Welt das Frauenwahlrecht einführte und mit Shipley erstmals eine Regierungschefin erhielt, wird also auf jeden Fall weiter von einer Frau geführt. Doch gegensätzlicher könnten Shipley und Clark kaum sein. Sie repräsentieren nicht nur rechts und links im politischen Spektrum, sondern auch unterschiedliche Welten. Die 47-jährige Shipley kommt von der Südinsel, war Grundschullehrerin und ist als Frau eines Bauern stolze Mutter zweier Kinder. Die 49-jährige Clark dagegen stammt aus dem Norden, war Dozentin an der Universität in Auckland und führt als städtische Intellektuelle eine bewusst kinderlose Ehe.

Als Ministerin hatte Shipley noch vor ihrer Zeit als Regierungschefin das Gesundheits- und Sozialsystem drastisch zusammengekürzt und sich damit zu Neuseelands meistgehasster Politikerin gemacht. Für die Zukunft verspricht sie Zoll- und Steuersenkungen. Clark, die bereits 1989/90 stellvertretende Premierministerin war, will dagegen die Zölle für fünf Jahre einfrieren und die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung stärker belasten, um zum Beispiel die Studiengebühren senken zu können. Nach 15 Jahren massiver Liberalisierung unter Regierungen von Labour- und National-Partei ist eine fürsorglichere Rolle des Staates wieder attraktiv.

Gemeinsam ist beiden Frauen, dass sie zur Regierungsbildung im 120-köpfigen Parlament auf andere Parteien angewiesen sein werden. Für Shipley steht die rechte ACT-Partei bereit, die eine Senkung der Steuern für alle auf 20 Prozent fordert. Vielleicht ist auch eine Neuauflage der 1998 zerbrochenenen Koalition mit der Partei New Zealand First des Maori-Politikers Winston Peters denkbar, falls diese wieder den Sprung ins Parlament schafft. Labour kann auf die linke Allianz und auch auf die Grünen hoffen. Diese könnten zwar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Doch nach dem 1996 eingeführten Wahlsystem nach deutschem Vorbild können sie mit drei Direktmandaten rechnen.

Die Grünen wollen den Marihuanagebrauch entkriminalisieren, was die National-Partei als letzte Chance sieht, um noch mit einer Angstkampagne aufzuholen. So werden die Grünen als „gefährliche Extremisten“ diffamiert und behauptet, sie wollten Schüler zum Drogenkonsum verführen.

Marihuana war auch Thema beim Fernsehduell der beiden Spitzenkandidatinnen. Shipley versuchte Clark zum Geständnis von US-Präsident Bill Clinton zu drängen, Marihuana immerhin „inhaliert“ zu haben. Clark entgegnete, sie wolle Politik nicht auf diesem Niveau diskutieren. Doch dann setzte sie noch eins drauf und sagte, sie habe Marihuana nur „gesehen“. Da sie Ende der 60er-Jahre an der Universität war, so Clark, wäre es verrückt für Menschen aus jenen Kreisen, etwas anderes zu behaupten. Sven Hansen