Galgenfrist für die Holzmann AG

■  Banken geben Überbrückungskredite von 100 Millionen Mark. Der Kanzler brachte angeblich 300 Millionen mit. Doch nicht alle befürworten eine Rettung um jeden Preis

Die Banken des bankrotten Baukonzerns Philipp Holzmann AG haben sich dem öffentlichen Druck gebeugt. Gestern Mittag gaben die zehn größten Gläubigerbanken bekannt, dass sie das Unternehmen mit einem 100-Millionen-Kredit kurzfristig über Wasser halten werden. Mit dieser überraschenden Wendung kann der Vorstand von Philipp Holzmann in den kommenden Wochen die kurzfristigen Rechnungen bezahlen und gewinnt Zeit, mit den Banken und dem Insolvenzverwalter einen neuen Sanierungsplan auszuarbeiten. Der Konzern bleibt also erst einmal als Ganzes am Leben, die Arbeit auf den Baustellen kann weitergehen.

Gestern Abend dann brachten Gewerkschaften und die CDU-Lokalpolitiker in Fankfurt am Main ihren Politjoker ins Spiel: Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte zuerst Holzmann-Chefs und -Arbeiter sprechen und danach den Bankvorständen die Rettung des Unternehmens abringen. Das Ergebnis lag erst nach Redaktionsschluss vor. Angeblich kam Schröder jedoch mit 300 Millionen Mark Bundesbürgschaften im Koffer. Alternativ wurde über ein entsprechendes Darlehen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau spekuliert. Die Stadt Frankfurt hatte schon Anfang der Woche 150 Millionen Mark Hilfe angeboten: Sie will Grundstücke von Holzmann kaufen. Ob die Banken sich erweichen lassen, war gestern noch offen.

Gerhard Schröder versuchte während der Haushaltsdebatte im Bundestag, weiter Druck aufzubauen: Es sei zwar richtig, dass die Geldinstitute betriebswirtschaftlich denken, meinte er, aber in einer solchen Situation erwachse ihnen eine „Verpflichtung, die über betriebswirtschaftliche Aspekte hinausgeht“. Er wolle dafür sorgen, dass das, „was bewundernswert ist an Deutschland, nämlich dass man sich zusammensetzt und gemeinsam Auswege aus der Krise sucht“, nicht verloren gehe.

Der Vorstand von Holzmann hatte schon letzte Woche einen Plan vorgelegt und insgesamt neue Kredite von über drei Milliarden Mark gefordert. Diese erste Version fanden die Banken jedoch nicht Erfolg versprechend und gewährten nicht genug Kredite, um den Konzern auf Dauer zu retten. Je nach Quelle fehlten 200 bis 600 Millionen Mark. Neben Entlassungen von einigen tausend der knapp 30.000 Angestellten weltweit sah das Sanierungskonzept auch den Verkauf unprofitabler Tochterfirmen vor. Der Vorstandsvorsitzende der AG, Heinrich Binder, betonte, die Überschuldung durch neu aufgetauchte Belastungen von 2,4 Milliarden Mark resultiere zu 95 Prozent aus Altlasten. Damit sei Holzmann nicht ein Fall wie andere Not leidende Unternehmen. „Wir operieren im Markt wieder erfolgreich“, sagte Binder. Eine Rettung sei „eine Investition, die sich in jedem Fall lohnt“.

Dass Holzmann trotz der Zahlungsunfähigkeit nicht wertlos ist, versuchte ein Konzernsprecher gestern auch mit zahlreichen Kaufanfragen aus dem In- und Ausland zu belegen. Die Namen von Interessenten wollte er nicht nennen. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung waren Abgesandte des staaatlichen Baukonzerns Sembcorp aus Singapur in der Holzmann-Zentrale. Sie sichteten die Bücher und boten angeblich über eine Milliarde Mark.

Die Zuversicht bezüglich einer Rettung des Konzerns pflanzte sich gestern auch an die Börse fort: Anleger spekulierten mit der vorgestern um über 80 Prozent auf 23,50 Euro abgestürzten Aktie und trieben den Kurs wieder auf etwa 35 Euro. Experten schütteln über solche Kurse nur den Kopf. Denn der Rettungsplan, den Holzmann vorgelegt hat, sieht einen Kapitalschnitt von 1:26 vor. Das heißt, die Holzmann-Aktie, die vor dem Bekanntwerden der Schwierigkeiten noch bei Kursen um 126 Euro gehandelt wurde, wäre jetzt nur noch rund fünf Euro wert.

Ganz anders sehen die Bemühungen zur Holzmann-Rettung kleine und mittlere Baufirmen. Das mittelständische Baugewerbe sei zwar nicht grundsätzlich gegen das politische Engagement des Bundeskanzlers. Allerdings werde im Falle der Philipp Holzmann AG der Bock zum Gärtner gemacht, erklärte die Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg am Mittwoch in Berlin. „Ein selbst verschuldeter Firmenzusammenbruch, der nur marginale Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, ruft die politische Spitze auf den Plan.“ Diejenigen Baubetriebe aber, die am meisten unter der Geschäftspolitik der Großkonzerne zu leiden haben, würden wieder im Regen stehen gelassen. Die Holzmann AG habe durch ihr Geschäftsgebaren maßgeblich zu den chaotischen Zuständen auf deutschen Baustellen beigetragen, unter denen der Mittelstand leide. Reiner Metzger, Berlin