Mann, Frau, konkret, abstrakt

■ Zwei Tanzstücke von Jan Pusch: Mit „Who knows. Maybe Tennessee“ zeigt der Choreograf seine beste Arbeit auf Kampnagel

Ein gleich doppelt intimer Abend mit Jan Pusch: Das letzte Tanzstück des Hamburger Choreografen, Please help yourself, begeisterte bereits im April auf Kampnagel, und dieses Solo der bestechenden Fiona Gordon, die ihr Solo verweigert, dieses witzig-kritisch-reflexive Spiel um den berufsbedingten Exhibitionismus einer Tänzerin hat nichts von seiner Pointiertheit eingebüßt. Please help yourself markierte den überregionalen Durchbruch des 33-jährigen gebürtigen Leipzigers, der seit 1994 frei choreografierend und komponierend sich fast nur in Hamburg einen Namen machen konnte. Sein jüngster Streich, das von der Tanz-Companie Lübeck produzierte und Ende September uraufgeführte Duett Who knows. Maybe Tennessee, wurde nun zusammen mit dem Gordon-Solo erstmals dem hiesigen Publikum präsentiert.

Die Konstellation ist klassisch und lappt gefährlich ins Klischeehafte: Frau, zart, labil, launisch, romantisch; Mann, brutal, egoistisch, vital, triebgesteuert. Dass aus dieser riskanten Situation von Anbeginn nur Kapital geschlagen wird, liegt an der gigantischen Präsenz der beiden Tanzenden, von denen die erste auch als Schauspielerin besteht. Juliane Rößler, Leiterin der Tanz-Companie Lübeck und Initiatorin des Stücks, bietet mit ihrer zickig-neurotischen Geschmeidigkeit die passende Negativform für die kraftstrotzenden, zuletzt DV8-Physical-The-atre-gestählten Bewegungen von Chris Haring. Dass sich hier Blanche Du Bois und Stanley Kowalski aus Tennessee Williams' Endstation Sehnsucht ein erotisches Duell liefern, kann, aber muss man sich nicht vergegenwärtigen – wie Pusch ohnehin in sein Vokabular permament mit Konkretem und Abstraktem variiert. Seine Figuren hält er oft in Dis-tanz zueinander, doch wenn sie sich nähern, knistert und brodelt es. So manifestiert sich ein hoch sensibles Beziehungsgeflecht. Diese Arbeit strahlt vor lauter brillanten Einfällen – wahrscheinlich ist es Puschs bislang beste. Ralf Poerschke

heute bis Sonntag, 20 Uhr, k1