Wenn das Sozialamt plötzlich klingelt

Warum zwei Kinder nicht in die Wohnung ihrer Mutter zurückkehren können  ■ Von Kai von Appen

Seit Ende Juli versucht die Jugoslawin Dragana W., vom Sozialamt St. Pauli die notwendigen Mittel für die Einrichtung und Renovierung ihrer Wohnung zu bekommen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie ihre beiden Kinder wieder nach Hause holen kann. Da Dragana W. aber bei „Besuchen ohne Voranmeldung“ angeblich nie anzutreffen war, wird ihr die Unterstützung verweigert.

Dragana W. lebte mit ihrem Mann und ihren Kindern (2 und 5 Jahre) in einer Zwei-Zimmer-Wohnung auf der Reeperbahn. Als ihr Mann schwer erkrankte, gab sie die beiden in Obhut des „Amts für Soziale Dienste“ (ASD). „Er konnte wegen seiner Schmerzen die lebhaften Kinder nicht ertragen“, erzählt die 26-jährige Serbin der taz-hamburg. Nach seinem Tod im Juni wollte sie die zwei nach Hause holen – im Einvernehmen mit dem ASD, das jedoch auf Instandsetzung bestand. „Die Wohnverhältnisse waren nicht so, dass man die Kinder hätte zurückholen können“, bestätigt Betreuerin Ute Biesterfeldt von der „Gemeinwesenarbeit St. Pauli“ (GWA). Da der Ehemann Blut gespuckt habe, seien viele Möbel unbrauchbar geworden.

Dragana W.s Antrag wurde Mitte September vom Sozialamt abgelehnt: Sie habe Mitarbeitern bei „unangemeldeten Hausbesuchen“ nicht die Tür geöffnet. „Wie soll ich wissen, wer da kommt, ich bin alleine“, rechtfertigt sie sich. „Einmal hab ich die Haustür geöffnet, aber sie sind nicht nach oben gekommen.“ W. zog vor das Verwaltungsgericht. Das lehnte Ende Oktober ihren Antrag mit der Begründung ab, nach dem Hausbesuch würde ihr natürlich die notwendige Einrichtung wie Kinderbetten genehmigt. Seitdem bemühen sich Dragana W. und ihre GWA-Betreuerin, mit der Sachbearbeiterin einen Besichtigungstermin auszumachen. „Ich bin im Sozialamt gewesen, bin aber rausgeflogen, weil ich nicht angemeldet war“, so die 26-Jährige. Die Sachbearbeiterin „weigert sich auch, mit mir zu sprechen“, sagt Biesterfeldt.

GWA-Mitarbeiterin Claudia Leitsch vermutet sogar, dass das Sozialamt verzögert, bis W.s Aufenthaltsstatus geregelt ist. Denn bereits bei Antragstellung sei W. unter anderem unterstellt worden, sie habe nur eine „Scheinehe“ geführt. Am 16. Dezember – nach Ablauf ihrer derzeitigen Aufenthaltsgenehmigung – könnte ihr Aufenthaltsstatus aufgrund des Todes ihres Mannes neu definiert werden. Sollte die Ausländerbehörde ihre Ehe annulieren, müsste W. ohnehin in eine Wohnunterkunft.

„Wir haben sie achtmal nicht angetroffen“, weist Claudia Eggert, Sprecherin des zuständigen Bezirkamts Mitte, alle Vorwürfe zurück. Es sei nicht so, dass das Sozialamt grundsätzlich nicht zahlen wolle. Da aber bereits der Ehemann Einrichtungshilfe erhalten habe, müsse das Sozialamt „nachschauen“ – und dies „im Grundsatz per se ohne Voranmeldung“. Für die Regenbogenabgeordnete Susanne Uhl ein Skandal: „Es gibt höchstrichterliche Rechtsprechung, dass das Nichtantreffen von Leuten in keinem Fall zum Nachteil gewertert werden darf.“

Bei all dem Hickhack bleiben zumindest zwei auf der Strecke: „Die Kinder wollen nicht länger im Heim bleiben“, klagt Dragana W. „Wenn ich sie übers Wochenende habe, gehe ich zu meiner Schwester.“