Nix für alte Rechner?

Anders als in den USA bemühen sich hier zu Lande Industrie und öffentliche Einrichtungen kaum, SeniorInnen an Netz & Co. heranzuführen. Ein Fehler    ■ Von Frauke Helmers

Vor dem weißen Doppeldeckerbus am Wittenbergplatz drängen sich die Menschen. Es sieht aus wie eine Reisegruppe heiterer Mittsechziger auf dem Weg durch den Großstadtwust. Doch ihr Weg ist nicht der Kurfürstendamm, ihr Ziel nicht die Gedächtniskirche. Die Herrschaften wollen im Internet spazieren fahren: im „Senior-Info-Mobil“.

365 Tage tourt der Bus prall gefüllt mit Computern zum Ausprobieren durch die Republik. Ende vergangenen Monats machte das „Senior-Info-Mobil“ des Vereins Seniorinnen und Senioren in der Wissensgesellschaft (VSiW) in Berlin Halt. Seine bundesweite Aktion „Internet und Wohntechnik ab 50“ gibt älteren Menschen die Möglichkeit, Internet, Telefonbanking und Bildtelefon kennen zu lernen. „Ich möchte meinen Enkeln in nichts nachstehen und am Ball bleiben“, sagt eine 61-jährige Dame. Den 75-Jährigen hinter ihr hat die Technik neugierig gemacht. „Mich interessiert, was man mit dem PC machen kann, wie er funktioniert, bevor ich mir selbst einen zulege.“ TutorInnen im Bus helfen den Seniors kostenlos. Auch in Schnupperkursen im DGB-Gebäude und den Räumen der Technischen Universität Berlin (TU) lernten sie die Welt des Computers in der Praxis kennen. Veranstalter war das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) der Universität Ulm. Die Betreuung übernahmen Fachkräfte, die selbst älter sind. „Die älteren Menschen können sich dadurch mit jemandem identifizieren. Das baut Hemmungen ab“, sagt Markus Marquard, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm. „Die Resonanz ist gewaltig“, sagt Tutor Bernd Hahn. „Vor vier Jahren, als ich noch berufstätig war, konnte man auch mich mit diesem neumodischen Kram noch jagen. Ich dachte: Wozu soll ich das noch lernen, ich geh doch sowieso bald in Rente. Jetzt will ich meine Begeisterung und meine Erfahrungen an andere weitergeben.“

Akzeptanz für die Computertechnik aufzubauen, ist laut TU-Vizepräsident Günther Abel Aufgabe der Wissenschaft: „Die Verantwortung der Hochschulen besteht darin, ihr technisches Wissen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und Weiterbildungsangebote für alle anzubieten.“ Die technische Entwicklung beschleunigt sich, die Informationsgesellschaft wandelt sich zur Wissensgesellschaft. Einstellungen und Werte müssen sich ändern. Weiterbildung gewinnt an Stellenwert. Auch für ältere Leute. Noch gibt es zu wenig institutionelle Netzwerke, über die sich gezielt SeniorInnen für die neuen Medien motivieren ließen.

Seit einigen Jahren bieten Berliner Hochschulen „Seniorenstudiengänge“ an. Auch dort wird Medienkompetenz verlangt. Ohne technisches Know-how bleibt man außen vor. Zudem: Gerade für Menschen mit alters- und krankheitsbedingten Einschränkungen scheint das Internet eine ideale Informations- und Kommunikationsquelle zu sein. Mit seiner Hilfe könnten sie von zu Hause aus den Anschluss an die Welt aufrechterhalten und länger als bisher ohne fremde Hilfe auskommen. Ein wichtiger Aspekt in Zeiten knapper Kassen, in denen Sozialinstitutionen zunehmend überfordert sind. Bislang haben sich weder Industrie noch öffentliche Einrichtungen besonders bemüht, SeniorInnen an Internet & Co. heranzuführen. Fachchinesisch, benutzerunfreundliche Bedienung und hohe Kosten machen kaum Lust auf den Trip zur PC-Technik. Kaum überraschend, dass nur knapp drei Prozent der über 60-Jährigen das Internet nutzen. Anders in den USA. „Dort gelten die SeniorInnen als die Gruppe im Netz, die am schnellsten wächst“, sagt Carmen Stadelhofer, Vorstandsmitglied des VSiW.

Hier zu Lande trauen viele Senioren nicht zu, sich in die PC-Welt einzufummeln. Doch seit kurzem zeichnet sich in Deutschland ein positiver Trend ab. Beispielsweise durch Aktionen wie „SeniorInnen ans Netz“ (Deutsche Telekom/Berliner Institut für Sozialforschung) oder Angebote von Universitäten. Diese Ansätze orientieren sich vor allem an den Lerninteressen und Wünschen der TeilnehmerInnen. Hier können sie unter fachkundiger Anleitung spielerisch lernen.