Gastgeber ohne Haus

■  Für eine Ausstellung kehrt die Berlinische Galerie kurzzeitig in den Gropius-Bau zurück. Der Bau eines eigenen Museums steht in den Sternen

Seit zwei Jahren hat das Landesmuseum Berlinische Galerie kein eigenes Haus mehr in Berlin. Ein Teil der Sammlung, die von den ersten dadaistischen Unruhen bis zur Gegenwart der Kunst in Berlin reicht, tourt durch Europa, wird von Grenoble gerade nach Valencia geschickt und später nach Porto und Budapest.

Die fotografische Sammlung, die in der jüngsten Diskussion über ein „Deutsches Centrum für Photographie“ oft als schönster Beitrag zur Geschichte des Mediums in einem Berliner Museum gerühmt wurde, hat seitdem an fünf deutschen Museen Station gemacht. Die umfangreiche Sammlung der Grafiken von Otto Dix wird in Gera ausgestellt, und auch der wieder entdeckte Maler Issai Kulvianski aus Litauen, der in den Zwanzigerjahren an einem sehr poetischen Realismus in Berlin arbeitete, hat nach dem Auftakt im Willy-Brandt-Haus in Berlin weitere Gastgeber gefunden.

Mit solchen Ausgrabungen aus den produktivsten Zeiten der Moderne in Berlin hat das Museum seinen Ruf erworben. Die Bilanz von 21 Ausstellungen seit dem Auszug aus dem Martin-Gropius-Bau im Januar 1998 kann sich sehen lassen.

Nur nicht in Berlin. Da muss man das der Kunstszene der Stadt am meisten verpflichtete Museum suchen. Gelegentlich findet sich ein Plätzchen unter dem Dach von Banken oder der Akademie der Künste für monografische Ausschnitte. Als Gastgeber kehrte die Berlinische Galerie jetzt in den inzwischen renovierten Martin-Gropius-Bau zurück: Seit Sonntag wird dort die große Bilderkollektion des privaten Sammlers Hans Grothe ausgestellt.

Zurück geht diese repräsentative Schau auf ein ursprünglich für das Frühjahr 1998 geplantes Austauschprojekt zwischen den Museen der alten und der neuen Hauptstadt: Während sich die Berlinische Galerie im Kunstmuseum Bonn vorstellte, sollte in Berlin die Sammlung Grothe, die dem Bonner Haus bis 2025 als Leihgabe zur Verfügung steht, gastieren. Doch wegen der Renovierung des Martin-Gropius-Baus und der dort anschließend gezeigten Ausstellung zum fünfzigsten Jubiläum der Bundesrepublik musste das Projekt verschoben werden. Das Konzept für die weitere Nutzung des Gropius-Baus ist noch unkonkret. „International“ und „repräsentativ“ lauten die vagen Ziele bisher. So erscheint die Sammlung Grothe „Gesammelte Räume – Gesammelte Träume“ in dem gründerzeitlichen Palast wie ein Vorgriff auf einen Kunstbetrieb, der die Regie an private Sammler abgegeben hat. Fast alle der zwanzig beteiligten Künstler sind in jeder deutschen Museumssammlung vertreten und auch in Berlin durch Einzelausstellungen bekannt.

Grothe, der seit den Siebzigerjahren einen Großteil seiner Gewinne als Bauunternehmer und Immobilienmakler in die Arbeiten der Maler Siegmar Polke, Anselm Kiefer, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Gerhard Richter und A.R. Penck investiert hat, trug so zum Erfolg dieser Künstler bei. Durch Leihgaben an Museen in Bonn, Möchengladbach und Bremen und die Eröffnung eines eigenen Museums in seiner Heimatstadt Duisburg ist die Bedeutung der Sammlung gewachsen. Die Inszenierung auf allen Etagen des Gropius-Baus verleiht ihr nun den Status eines Kanons. Von solch monumentaler Geschlossenheit waren die Ausstellungen der Berlinischen Galerie bisher kaum geprägt. Mit einem „lachendem und einem weinenden Auge“ hat Jörn Merkert, Direktor der Berlinischen Galerie, die Rückkehr in den Gropius-Bau erlebt. „Lachend“, weil sich noch einmal die Probleme des Gebäudes zeigte, das mit seinen vielen Türen und Fenstern für jede Präsentation neue Einbauten verlangt und Merkert sich von dem geplanten Ausbau der Keller der ehemaligen Schultheiss-Brauerei für seine Galerie viel bessere Möglichkeiten erhofft. „Weinend“, weil noch immer nicht alle Weichen für diesen Ausbau gestellt sind und die Wiedereröffnung des Museums in immer größere Ferne rückt.

Allein auf öffentliche Mittel hat das von einem Förderverein gegründete Museum noch nie gesetzt. Als die Stadt nach dem Auszug aus dem Gropius-Bau die Verhandlungen um einen neuen Standort im Postfuhramt in Berlin-Mitte verschlief, hatte Merkert ein neues Modell bereit: Die alte Schultheiss-Brauerei in Kreuzberg wird durch die privaten Investoren Realprojekt, Deutsche Bank und Veba-Immobilien mit Stadtvillen, Lofts, Büros und eben dem Museum bebaut. Der Vertrag, der den Investoren als Ausgleich für die 23,5 Millionen Mark, die sie in den Museumsausbau stecken, ein Studentendorf in Schlachtensee sichert, war schon geschlossen und notariell beglaubigt. Doch der Denkmalschutz machte der geplanten Verwertung des Grundstücks per Abriss und Neubau einen Strich durch die Rechnung. Der Wert des Tauschareals sank auf 18 Millionen.

Zurzeit warten der Museumsdirektor und die Investoren auf die Bildung des neuen Senats in der Hoffnung, dass die Erweiterung des Denkmalschutzes in Schlachtensee zurückgenommen wird und die Verträge eingehalten werden können. „Das war Wahlkampf“, beurteilen sie das Scheitern ihrer Pläne im Finanzausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. „Die alte Koalition hat ihren Streit auf Feldern ausgetragen, wo man sich schlecht wehren konnte“, urteilt Merkert und hofft auf die Rückkehr der Vernunft. Nicht nur, weil die Vertreter aller Parteien des Abgeordnetenhauses an dem Plan festhalten wollen, sondern mehr noch durch die Größenordnung des gesamten Projekts mit einem Investionsvolumen von 340 Millionen Mark. Die werde man, hofft Merkert, nicht durch Ziererei bei „kleineren“ Summen gefährden.

Schon jetzt kostet die Verzögerung Geld. Auf Eis liegen die Bauanträge, die jetzt eingereicht werden müssten, bis zu einer neuen Entscheidung des Senats. Ein Jahr länger müssen die Ausweichquartiere für Museumsdepots und Büros, die an drei Standorten über die Stadt verteilt sind, bezahlt werden. Zudem fallen monatlich 100.000 Mark Zinsen auf die Verkaufssumme an. Die muss der Senat zahlen, weil er das Tauschgrundstück vertraglich zum 1. Januar 1999 zugesagt hatte.

Ohne eigenes Museum kann Merkert nur schwer für sein Haus werben und neue Kontakte zu Sponsoren knüpfen. Ein Jahr sieht er als verloren an für seinen Plan, Geld für einen Erweiterungsbau zu akquirieren.

Katrin Bettina Müller