Der Schwanz schlägt links

■  Sie tragen Koffer in ihren Händen und schwere Verantwortung auf ihren Schultern. Aber wo tragen die Politiker ihr bestes Stück?

Wie aus der Pistole geschossen antwortet der Fraktionsvorsitzende der PDS, Harald Wolf. Auffällig ist nur der Ton. Er spricht, als würde er seine Kontonummer diktieren: „Natürlich bin ich Linksträger“. Das sei schon als Kind so gewesen. Begründung: „Bekanntlich schlägt ja auch das Herz links.“

Ein Zusammenhang mit der politischen Positionierung? Wolf, nach kurzer Bedenkzeit: „Links ist grundsätzlich die bessere Seite.“ Es komme darauf an, von wo man guckt. „Vom Standpunkt des Betrachters ist ein Linksträger ein Rechtsträger.“ Die neue Mitte sei „eher was für Schotten“.

Auch der ausländerpolitische Sprecher der Partei, Giyasettin Sayan, schlägt einen Ton an, als würde er eine Pressemitteilung verlesen: „Ich bin Linksträger.“ Doch nicht nur das. Es bedeutet ihm sogar ganz viel. „Im politischen Sinne ist das meine Lebensphilosophie“, sagt er.

Die Grünen, deren Herren auf einem Wahlplakat die Hüllen fallen ließen („Was hier nicht steht, steht im Programm“), gewähren ebenfalls freizügig Einblick. Fraktionschef Wolfgang Wieland: „Na klar bin ich Linksträger.“ Doch politische Gründe habe das nicht. „Das ist intuitiv.“ Wieland folgt mit seinen Tragegewohnheiten einer gewissen Logik. Sein linkes Bein ist sein Sprungbein und zudem war er mal Linkshänder. Von der neuen Mitte will er im Schritt nichts wissen. „Bei den Jeans, die ich trage, ist das nicht anzunehmen.“ Einen Fraktionszwang, so versichert er, gebe es nicht in dieser Frage.

Michael Cramer, der verkehrspolitische Experte der Grünen, stellt sich anfangs dumm. „Was meinen Sie denn?“ Gaaaanz langsam kommt er dann. Antwort Nr. 1: „Da kenne ich mich nicht aus.“ Antwort Nr. 2: „Ich mache mir keine Gedanken darüber.“ Über Antwort Nr. 3 – „In der Mitte“ – muss er selber lachen. Auf Bitten der taz schaut er schließlich nach: „Natürlich bin ich Linksträger!“ Der Grund: „Ich will mich wohlfühlen.“ Nur der gesundheitspolitische Sprecher, Bernd Köppl, will nicht so recht. Der Initiator des Fast-nackt-Wahlplakats hat Angst, in Verruf zu kommen.

Bei der CDU scheint es keine Politik unter der Gürtellinie zu geben. Nicht mal bei Rechtsaußen Lummer, der seit kurzem unter die TV-Moderatoren gegangen ist. Der trägt seinen Heinrich mal so, mal so. „Das ist ständig wechselnd – je nach Fabrikationsfirma der Unterwäsche“, verrät er.

Der innenpolitische Sprecher der Partei, Roland Gewalt, bekannt als Mann der klaren Worte, zeigt sich anfangs begriffsstutzig. Er lässt sich Rechts- und Linksträger erklären. Dann gesteht er äußerst glaubwürdig, sich über dieses Thema „noch nie Gedanken gemacht zu haben“. Doch eins weiß er ganz sicher: „Biologie und Politik schließen sich aus.“

Ausgesprochen zugeknöpft zeigen sich die drei CDU-Youngster, die im Oktober ins Abgeordnetenhaus einzogen. Der 24-jährige Mario Czaja fragt irritiert: „Was soll das?“ Wohl aus Angst, die CDU-Älteren zu brüskieren, belässt er es bei einem: „Nee, dazu sage ich nichts.“ Der gleichaltrige Marcus Weichert äußert sich zumindest zum Zusammenhang mit der politischen Positionierung: „Das hat definitiv nichts miteinander zu tun“, versichert er. Auch Christian Graeff, mit 21 Jahren der Jüngste im Bunde und als Bekleidungsfachmann ein möglicher Schritt-Experte, kneift: „In meiner öffentlichen Funktion äußere ich mich nicht zu meinem Beruf.“

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorenz, hat eine einleuchtende Interpretation der Verschlossenheit der CDU-Newcomer: „Vielleicht haben sie ihn ja nach hinten gebunden.“ Er selbst legt sich, wie auch bei seinen politischen Positionen, im Schritt nicht fest: „Das ist unterschiedlich, je nach Hosenschnitt“, bekennt er. Bei seinen Genossen hält er alles für möglich: „Ich könnte mir einige vorstellen, die sich körperlich umbauen würden, nur damit es mit der politischen Gesinnung übereinstimmt.“

Eine Behauptung, die schwer zu überprüfen ist. B. Bollwahn de Paez Casanova