Rote Karten und verdorbene Leber

■ Endlich: Der FC St. Pauli gewinnt zum ersten Mal in dieser Spielzeit am Millerntor und besiegt den Karlsruher SC mit 3:1, weil ein kleines Dorf im Schwarzwald Unglück bringt

Döggingen ist kein gutes Pflas-ter. In dem kleinen Dorf im Schwarzwald kann man sich bequem an einer verdorbenen Leber aus dem Dorfkrug eine veritable Lebensmittelvergiftung zuziehen. In der engen Kurve in der Mitte des Fleckens passierten schon einige schwere Autounfälle. Nicht einmal einen ordentlichen Bolzplatz gibt es in dem hügeligen Weiler. Was liegt also näher, als sich talabwärts nach Freiburg davonzumachen?

Martin Braun ging diesen Weg und hatte beim dortigen SC die bes-te Zeit seiner Fußball-Karriere. Über die Stationen 1. FC Köln und Rapid Wien kam er zurück ins Badische, zum Karlsruher SC. Und gestern holte ihn die unglückliche Schwarzwälder Vergangenheit wieder ein. Im Spiel beim FC St. Pauli sah er bereits nach zwölf Minuten die gelb-rote Karte wegen wiederholten Foulspiels.

„Das brachte natürlich unsere ganze Taktik durcheinander“, versuchte sein Trainer Joachim Jogi Löw nach Spielende, die Verantwortung für die 1:3-Niederlage zumindest teilweise Braun aufzubürden. Denn dem Verein vom Millerntor gelang zeitweise etwas Unerhörtes und selten Gesehenes: die Überzahl tatsächlich zu nutzen und überlegt und überlegen zu spielen. So zum Beispiel beim 1:0 in der 39. Minute: Andrej Polunin flankte von der linken Seite klug nach innen, wo Zlatan Bajramovic mit zwei Hebern zunächst seinen Gegenspieler und dann auch noch Karlsruhes Torhüter Simon Jentzsch überlistete.

Allerdings drohte die Kampfkultur der ersten Halbzeit nach der Pause verloren zu gehen, als die Badener in Unterzahl plötzlich durch den eingewechselten Marc Arnold zum Ausgleich kamen. Das Blatt wendete sich aber erneut Mitte der zweiten Hälfte. Markus Ahlf stellte sich ähnlich dämlich wie Braun an, als er innerhalb von vier Minuten zweimal grob foulte und das Feld, gefeiert von den Fans, verlassen musste. Denn immerhin nahm er den Karlsruher Stefan Meißner mit. Der Mittelfeldspieler wollte das Geschenk nicht annehmen und sah wegen einer Tätlichkeit gegen Ahlf ebenfalls Rot.

Bei nur noch 17 Feldspielern auf dem Platz hatte St. Pauli viel Platz zum Kombinieren, brauchte aber dennoch eine Standardsituation, um erneut in Führung zu gehen. Nach einer Polunin-Ecke konnte der ebenfalls eingewechselte Holger Stanislawski die erneute Führung erzielen, die Cem Karaca nach einem Konter in der Nachspielzeit zum Endstand ausbaute. Auch der Türke war von Trainer Willi Reimann eingewechselt worden.

So kam der FC St. Pauli doch noch zu seinem ersten Heimsieg in dieser Spielzeit und erzielte dabei so viele Tore wie in den sechs Spielen am Millerntor zuvor. Nur Martin Braun dürfte ein wenig vergrätzt an seine Heimat gedacht haben. Vielleicht hatte er dabei den Geschmack von Leber auf der Zunge.

Eberhard Spohd

St. Pauli: Wehlmann, Puschmann, Ahlf, Tsoumou-Madza, Lotter (ab 83. Wehlage), Hanke, Polunin, Bajramovic, Rahn (ab 72. Karaca), Marin, Klasnic (ab 72. Stanislawski)

KSC: Jentzsch, Braun, Molata, Amadou, Kienle (ab 31. Kritzer), Sequeira Solano, Schütterle (ab 65. Arnold), Jozinovic, Pavlin, Meißner, Krieg

SR: Margenberg – Z.: 12.450

Tore: 1:0 Bajramovic (39.), 1:1 Arnold (76.), 2:1 Stanislawski (84.), 3:1 Karaca (90.)

Besondere Vorkommnisse: gelb-rote Karten für Braun (13.) und Ahlf (63.) wegen wiederholten Foulspiels, rote Karte für Meißner (63.) wegen Tätlichkeit