Ene, mene, mu, und raus bist du!

■  Wenn CDU und SPD heute abschließend über die Ressortzuschnitte und Senatsposten verhandeln, droht dem SPD-Vorsitzenden Strieder das politische Aus. Inhaltlich sind sich die beiden Koalitionspartner aber einig geworden

In den Verhandlungen hat sich die SPD weitgehend durchgesetzt, deshalb muss die CDU jetzt bei der Verteilung der Senatsposten hart bleiben

Für Peter Strieder ist es der schwerste Tag seiner politischen Karriere. Wenn CDU und SPD zum Abschluss ihrer Koalitionsverhandlungen heute ein Personalpaket schnüren, wird der SPD-Landesvorsitzende und bisherige Umweltsenator vor allem für seinen eigenen Wiedereinzug in den Senat kämpfen müssen. Am Wochenende hat Strieder bekräftigt, dass seine Partei trotz des schlechten Wahlergebnisses vier der insgesamt acht Senatorenposten beanspruche. Nur dann kann die SPD die Aspiranten aus den eigenen Reihen unterbringen.

Die Aussichten sind schlecht. Am Samstagmorgen um halb acht waren die Unterhändler nach einem 21-stündigen Verhandlungsmarathon im Streit auseinander gegangen. Vier Senatorenposten für die SPD werde es nicht geben, erklärte CDU-Landesgeschäftsführer Wambach: „Das kann ich definitiv ausschließen.“

In den Sachfragen konnten CDU und SPD während der Nachtsitzung im Kampf gegen die Müdigkeit dagegen Kompromisse finden. Dem Vernehmen nach konnten sich die Sozialdemokraten dabei weitgehend durchsetzen. Die Koalitionspartner wollen die Sparpolitik fortsetzen und die Neuverschuldung von derzeit mehr als vier Milliarden Mark jährlich auf gut zwei Milliarden Mark im Jahr 2004 halbieren. Das entspricht ungefähr den abgespeckten Sparplänen, die SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing nach Bekanntwerden zusätzlicher Haushaltslöcher errechnet hatte. Außerdem wollen CDU und SPD die Gewerbesteuer vorerst nicht senken und die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder ein Pflichtfach Religion zunächst nicht einführen. Die Union hat kaum eines ihrer Wahlversprechen durchsetzen können. „Tatsache ist“, gestand Wambach gestern, „dass wir in einigen Punkten Zugeständnisse haben machen müssen.“Natürlich wollten die Unionsstrategen die Maximalforderungen ihres Wahlprogramms nie wirklich umsetzen. Aber sie hätten es vorgezogen, den Rückzug nicht bereits im Koalitionsvertrag festzuschreiben. Schließlich muss die Basis auf dem anstehenden Parteitag das Verhandlungsergebnis noch absegnen. Und wenn die Delegierten schon in den Sachfragen eine christdemokratische Handschrift vermissen, dann muss die Parteiführung wenigstens bei den Personalien ein vorzeigbares Ergebnis präsentieren. Das bedeutet: höchstens drei Senatsposten für die SPD, von den Schlüsselressorts Inneres, Bauen und Finanzen mindestens zwei für die CDU.

Gerade weil die SPD-Delegation unter Strieders Führung in den Sachfragen ein günstiges Ergebnis aushandelte, haben sich die Aussichten des Parteichefs auf einen Platz am Kabinettstisch also noch einmal verschlechtert. Mit Unterstützung aus den eigenen Reihen kann Strieder kaum rechnen. CDU-Unterhändler stöhnen mit höhnischem Unterton, die Verhandlungen würden vor allem durch die Uneinigkeit der SPD erschwert. Teilnehmer der Gespräche kolportieren, SPD-Fraktionschef Klaus Böger habe zu Strieders Forderung nach vier Senatsposten geschwiegen.

Für wichtiger halten es die Modernisierer um Böger, dass SPD-Senatorin Annette Fugmann-Heesing das Schlüsselressort Finanzen behält und die SPD zusätzlich das Zukunftsressort Bildung übernimmt. Als Favorit für dieses Amt gilt Böger selbst. Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler ist als Frau aus dem Osten durch die Doppelquote abgesichert. Neuerdings mehren sich allerdings die Stimmen, die ihr das politische Schwergewicht für ein vergrößertes Ressort Arbeit, Gesundheit und Soziales nicht zutrauen. Zum Eklat war es am Samstagmorgen gekommen, weil die CDU den Sozialdemokraten neben diesem Ressort nur die Bereiche Schule und Justiz überlassen wollte – so die Darstellung der SPD-Unterhändler. CDU-Geschäftsführer Wambach sagte hingegen, über konkrete Ressorts sei noch gar nicht gesprochen worden. Die Union habe angeboten, den Senat statt auf acht sogar auf sieben Ressorts zu verkleinern, sodass den drei SPD-Senatoren nur vier CDU-Kollegen gegenüberstünden. Das hätten die Sozialdemokraten jedoch abgelehnt. Am Rande der Verhandlungen goss CDU-Fraktionschef Landowsky zusätzlich Öl ins Feuer des SPD-internen Postenschachers. Grundsätzlich lasse die Union über alles mit sich reden, doch könnten die Sozialdemokraten „nicht gleichzeitig das große Bauressort und das Finanzressort beanspruchen“. Damit machte der Unionsstratege klar: Die SPD muss sich zwischen Strieder und Fugmann-Heesing entscheiden. Im Auge des Orkans herrschte Windstille. Die Akteure erholten sich erst einmal von den zurückliegenden Nachtsitzungen. SPD-Chef Strieder versuchte Abstand zu gewinnen: Am Samstag waren Weihnachtseinkäufe angesagt, und am Sonntag igelte er sich in seiner Kreuzberger Wohnung ein – zum Adventskaffee im Kreise der Familie. Ralph Bollmann