Islamunterricht in den Schulen – aber wie?

■ Schwierigkeiten und unterschiedliche Modelle in den Bundesländern

In Deutschland gibt es mehr als 570.000 muslimische Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Aber bis heute wird in keinem Bundesland bekennender islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach erteilt, obgleich dies Recht per Grundgesetz allen Religionsgemeinschaften garantiert ist.

Von muslimischer Seite wird dies immer wieder als ein typischer Fall von Islamfeindlichkeit interpretiert. Eine überzogene Kritik. Vielmehr handelt es sich um einen Fall struktureller Benachteiligung. Denn die derzeit gültigen rechtlichen Kriterien für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft sind aus den Strukturen der christlichen Kirchen abgeleitet. Und die sind auf den Islam, aber auch auf andere Religionen wie dem Buddhismus nicht anwendbar. Bis heute ist ungeklärt, welche islamische Organisation für sich beanspruchen kann, Repräsentant und Ansprechpartner der Muslime zu sein. Zum einen ist dies der Heterogenität der Gemeinschaft der Muslime geschuldet, die sich in verschiedene Konfessionen beziehungsweise Rechtsschulen zersplittert. Zum anderen kennt der Islam, anders als das Christentum, keine repräsentative institutionalisierte Vertretung. In Deutschland existieren über 2.000 Moscheenvereine, elf muslimische Dachverbände, zwei Spitzenverbände und diverse regionale Dachverbände, die stets nur einen Teil der Gläubigen repräsentieren. Dies macht eine Antwort auf die Frage, wer nun als Religionsgemeinschaft anerkannt wird und folglich bekennenden Islamunterricht an den Schulen erteilen darf, so kompliziert.

Um den muslimischen Kindern trotzdem eine religiöse Grundversorgung zu garantieren, gibt es in den einzelnen Bundesländern stark voneinander abweichende Zwischenlösungen. In Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Saarland und Schleswig-Holstein gibt es keine Angebote der deutschen Schulen. Hier findet im Rahmen des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts eine „religiöse Unterweisung“ statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Der muttersprachliche Unterricht – mit oder ohne religiöse Unterweisung – wird allerdings nur Schülern erteilt, deren Eltern aus so genannten Anwerbeländer (zum Beispiel Türkei und Tunesien) kommen. Problem: Der Unterricht wird von Lehrern aus den Entsendeländern in der Muttersprache erteilt, mit Unterrichtsmaterial, das in den Entsendeländern erstellt wurde. Dieser Unterricht entzieht sich völlig der Aufsicht der hiesigen Schulbehörden. Er geriet in der Vergangenheit immer wieder wegen seiner nationalistischen Inhalte, die sich auf die politischen Kontroversen der Entsendeländer beziehen, in die Kritik und gilt als wenig integrationsfördernd.

Nordrhein-Westfalen und Hessen trägt den muttersprachlichen Unterricht deshalb selbst, stellt die Lehrer ein und hat eigenes Lehrmaterial entwickelt.

In Bayern wird die islamische Unterweisung für die Klassen 1 bis 5 inzwischen als ordentliches Schulfach durchgeführt. In Nordrhein-Westfalen wird in diesem Schuljahr islamische Unterweisung an einigen Schulen als eigenes Unterrichtsfach durchgeführt. In Hamburg wird ein nicht bekennender interreligiöser Unterricht angestrebt, bei dem die Grundgedanken verschiedener Religionen im Rahmen eines ordentliches Faches vermittelt werden sollen.

Alle bestehende Modelle werden von den sunnitisch geprägten Dachorganisationen als mangelhaft empfunden. Sie fordern einen bekennenden islamischen Religionsunterrichts unter ihrer Federführung. Den hätte es 1999 zum ersten Mal auch gegeben, wenn das Land Berlin nicht gegen das Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts Widerspruch eingelegt hätte, welches die Islamische Föderation Berlin als eine Religionsgemeinschaft anerkannt hatte (siehe nebenstehenden Artikel).

Eberhard Seidel
‚/B‘ Einen guten Überblick über den Diskussionsstand zum Thema „Religionen und Religionskunde unter interkulturellen Aspekten“ bietet: Schilfblatt . Nachrichten für Lehrkräfte von Migranten, Heft 9. Bezugsadresse: Berliner Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung und Schulentwicklung, Alte Jakobstraße 12, 10969 Berlin