Hätte, würde, aber ... - uns hilft kein Gelaber“

■ Arminia Bielefeld verliert erneut und erlebt doch einen historischen Tag

Bielefeld (taz) - Es war ein großer Tag für den deutschen Fernseh-Fußball und ein Tag von historischen Dimensionen für Bielefeld und ganz OWL: Erstmals wurden, wegen diverser terminfressender Europaligen an einem Wochenendspieltag Samstags weniger Spiele (4) angestoßen als an den Puffertagen Freitag und Samstag (restliche 5). Und in Bielefeld und ganz OWL (ein Wortkürzel, das überall in dieser Stadt jenseits allen Diesseits zu lesen ist und vermutlich für Ostwestfalen oder gar Ostwestfalenland steht) fand endlich, nach über 100 Tagen Erstligazugehörigkeit, das erste Heimspiel an einem Samstag statt.

Bislang hatte die Welt jenseits von OWL Aufsteiger Arminia gar nicht recht wahrgenommen. Von zwölf Spielen hatten sie genau eines am Samstag absolviert und waren ansonsten meist als Freitags-Vorspeise vernascht und als Sonntags-Nachtisch weggeputzt worden. Spielen die wirklich mit? Arminia Bielefeld? In unserer deutschen Europa-Qualifikationsliga, die bei Konservativen immer noch Bundesliga heisst? Immerhin war Arminia vor dem Spiel gegen Leverkusen auf einen Abstiegsrang gerutscht und somit tangential ins öffentliche Bewusstsein.

Geholfen hat die Samstags-Premiere nichts. Wieder gab es mit 1:2 eine Niederlage. Wieder pfiffen die angeblich so leidenschaftlichen Fußball-Ostwestfalen ihr Team wütend aus, wenn Anfeuerung nötig gewesen wäre. Wieder gab es Beifall für die ausgewechselten Lieblinge.

Und wieder mussten Durchhalteparolen her. Etwa von Trainer Hermann Gerland: „Die Mannschaft muss kapieren, dass wir nicht mehr in der 2. Liga sind.“ Wie soll sie, wenn sie ständig an traditionellen Zweitligaterminen Freitag und Sonntag ran muss? Gerland, der vordergründig so bieder wirkende Coach, der auf seinem Bauernhof Pferde züchtet, ist in Wahrheit richtig witzig und gilt als Meister des trockenen Humors: „Ja“, nuschelte er schalkhaft, „mir ist auch nicht verborgen geblieben, dass wir Defizite haben. Es war doch fast ein ausgeglichenes Spiel.“ Was man besser machen könne? Ernst sah er seinem Gegenüber ins Gesicht: „Ich überlege Tag und Nacht.“ Und machte sich seinen eigenen Reimauf die Niederlage: „Hätte, würde, aber - uns hilft kein Gelaber.“

Leverkusen spielte hoch überlegen: technisch, taktisch. Ein Haufen großer Individualisten, allen voran der überragende Emerson, den wir nie kontrollieren konnten“ (Gerland). Indes hatte man bis zum Schlusspfiff das Gefühl, dass die Bayer-Elf (ohne die verletzten Kirsten und Neuville) durchaus an ihrer Überlegenheit noch ersticken könnte: zu lässig und leicht gelangen die Ballstafetten im Mittelfeld, zu schwer tat sich die Arminia, überhaupt mal in die Hälfte des Gegners zu kommen. Aber man weiß ja, wie der Fußball so ist: Eine Szene kann ein ganzes Spiel kippen lassen.

Dass es nicht so kam, liess Leverkusener Steine reihenweise von den Herzen der Verantwortlichen purzeln. Trainer Christoph Daum wusste (nach vier sieglosen Ligaspielen und dem Aus in der Champions League): „Uns helfen zur Zeit nur Ergebnisse.“ Rudi Völler glanzaugig: „Jetzt sind wir wieder da, wo wir hingehören“ - Tabellenrang 2, der Bayer-Stammplatz. Manager Rainer Calmund, durch Trennkost um sichtbare 20 Pfund abgemagert, gestand, das Aus gegen Maribor sei kein tief sitzender schmerzender Stachel gewesen, „sondern ein ganzer Stacheldraht“. So gesehen, war der leichte Sieg bei Arminia Biederfeld dann kein Jodtupfer sondern eine ganze Apotheke. Oder gleich die eigene Fabrik.

Arminia hat jetzt schon sieben Spiele nicht mehr gewonnen. Wie sollen sie auch, wenn sie gar nicht mehr dahin kommen, wo sie gefährlich sind: Auf die Flügel. Denn nur mit Flanken funktioniert Toreerzieler Bruno Labbadia (Vorjahr 28 Treffer/2. Liga). Als sie durch den spielstarken Markus Weissenberger glücklich ausgeglichen hatten, kassierten sie umgehend das 1:2. „Zwei Mann fallen hin“, erinnerte sich Abwehrchef Thomas Stratos, „bleiben liegen, sehen sich an und sehen zu, bis die Kirsche drin ist. Ein peinliches Tor.“

„Tschüss, bis zur nächsten Niederlage“, riefen sich Bielefelder Ironiefreunde auf den Tribünengängen nachher zu. Und später torkelten noch zwei Pilskenfreunde über den schlammgetränkten Vorplatz und sangen: „Wieder verloren, und wir, wir warn dabei...“ Fatalismus OWL-weit. OWL steht übrigens für ganz Ostwestfalen-Lippe. Bernd Müllender