Zaghafter Durchbruch in Nordirland

Die neue Regierung aus Katholiken und Protestanten kann gebildet werden. Eine Mehrheit der Unionistischen Partei votierte dafür. Bis Februar muss die IRA mit der Waffenabgabe beginnen  ■   Aus Dublin Ralf Sotscheck

„David Trimble ist, ebenso wie die IRA, ein Feind Ulsters. Er ist ein Krämer, der bereit ist, sein Land zu zerstören.“ Ian Paisley

Nordirlands Unionistische Partei hat den Friedensplan des ehemaligen US-Senators George Mitchell, der die Verhandlungen fünf Jahre lang leitete, abgesegnet – aber nur vorläufig. Nur 58 Prozent der 829 Delegierten haben am Samstag dafür gestimmt, eine nordirische Regierung unter Beteiligung von Sinn Fein zu bilden, ohne dass deren bewaffneter Flügel, die Irisch-Republikanische Armee (IRA), zuvor ihre Waffen abgeben muss.

Schon am Donnerstag wird die neue Regierung Nordirlands im Amt sein, am selben Tag soll die IRA einen Unterhändler benennen, der mit der Abrüstungskommission des kanadischen Generals John de Chastelain über die Modalitäten der Waffenabgabe verhandelt.

Die Sache hat jedoch einen Pferdefuß: Sollte die IRA Anfang Februar nicht mit der Abrüstung begonnen haben, ist der Friedensprozess gescheitert. David Trimble, Unionistenchef und designierter nordirischer Premierminister, sowie seine drei Parteikollegen in der Regierung haben ihre Rücktrittserklärungen für diesen Fall beim Parteivorstand bereits hinterlegt. Im Februar werden die unionistischen Delegierten, unter denen es am Samstag zu heftigen Wortgefechten kam, noch einmal zusammentreffen, um ihr endgültiges Urteil zu fällen.

Die Waffenfrage hatte die Umsetzung des Friedensabkommens, das am Karfreitag vorigen Jahres geschlossen worden war, immer wieder verzögert. Die Unionisten bestanden bisher darauf, dass es ohne Waffenabgabe der IRA keine Regierung mit Sinn-Fein-Beteiligung geben werde. Vor zwei Wochen besann sich Trimble dann jedoch eines anderen und brachte viele in seiner Partei gegen sich auf. Vor anderthalb Jahren, als das Abkommen unterzeichnet wurde, hatten ihn noch 72 Prozent der Delegierten unterstützt.

Sinn Fein betonte dagegen stets, dass eine Abrüstungsverpflichtung im Abkommen nicht vorgesehen ist, sondern dass dies nur ein freiwilliger Schritt sein könne. Sinn- Fein-Präsident Gerry Adams war nach der Entscheidung der Unionisten am Samstag daher skeptisch. „Es ist der falsche Ansatz“, sagte er, „das schürt die Ungewissheit und gibt den Hoffnungen derjenigen innerhalb und außerhalb der Unionistischen Partei, die den Friedensprozess ablehnen, neue Nahrung.“

Der reaktionäre Pfarrer Ian Paisley von der Demokratischen Unionistischen Partei, die von Anfang an gegen den Friedensprozess opponierte, bezeichnete Trimble sogar als Verräter: „David Trimble ist, ebenso wie die IRA, ein Feind Ulsters. Er ist ein Krämer, der bereit ist, sein kulturelles Erbe zu beschmutzen, seine Partei zu spalten und sein Land zu zerstören.“ Paisleys Stellvertreter Peter Robinson stand seinem Parteichef in nichts nach: „Trimbles Kompromiss ist kompletter Blödsinn. Wenn die IRA erst einmal in der Regierung sitzt, bekommt sie niemand mehr dort weg. Das Ergebnis vom Samstag beweist, dass Trimble Chef der gespaltensten Partei Nordirlands ist.“

Dabei war alles sorgfältig choreografiert. Die britische Regierung hatte am Dienstag der Royal Ulster Constabulary (RUC), Nordirlands Polizei, das Georgskreuz für Tapferkeit verliehen, um Trimble das Leben zu erleichtern. Britanniens höchste Auszeichnung war bisher erst einmal kollektiv vergeben worden: 1942 an die Malteser für ihren Mut und ihren Einsatz während der deutschen Bombardierung. Die zu 93 Prozent protestantische RUC ist wegen ihrer Beteiligung an Mordkommandos und Zusammenarbeit mit protestantischen Terroristen diskreditiert und soll reformiert werden. Bairbre de Bruin vom Sinn-Fein-Vorstand, die am Donnerstag Ministerin in der nordirischen Regierung wird, sagte: „Es ist eine ungeheuerliche Beleidigung, diejenigen zu ehren, die in Menschenrechtsverletzungen und gezielten Todesschüssen verwickelt sind. Die RUC sollte aufgelöst und nicht geehrt werden.“

Auch der Tagungsort für die Unionisten-Konferenz gehörte zur Choreografie. Normalerweise kommen die Unionisten in Belfasts Ulster Hall zusammen, einem düsteren Gebäude, dessen Wände mit Bildern aus der Geschichte des Unionismus dekoriert sind. Diesmal zog man in die Waterfront Hall, ein modernes, hell erleuchtetes Konferenzzentrum am Hafen, ein Symbol für das neue, friedliche Nordirland. Dass es für Trimble dennoch nur zu 58 Prozent reichte, illustriert die Bedrängnis, in der er sich befindet.

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