Der Papst hat keinen Unfehlbarkeitsanspruch“

■ Christa Nickels, kirchenpolitische Sprecherin der Grünen, über den Ausstieg der Bischofskonferenz aus der Schwangerenkonfliktberatung: Katholische Kirche ist für den Staat kein Partner mehr

taz: Können Sie das Wort Schwangerenkonfliktberatung noch hören?

Christa Nickels: Als Katholikin kenne ich die Kirche von innen und habe mich darauf eingestellt, dass dieses Thema ein Dauerbrenner bleibt. Aber wenn Entscheidungen seit Jahren alle zwei Monate umgeworfen werden, dann wendet sich die interessierte Öffentlichkeit mit Grauen ab. Das ist für die katholische Kirche eine katastrophale Entwicklung.

Die Mehrheit der Bischöfe folgt dem Papst und steigt aus dem staatlichen System aus. Hätten sie nein sagen sollen?

Ja, das hätten sie tun sollen. Es gab genügend Bischöfe, die erklärt haben, der Ausstieg widerspräche absolut ihrem Gewissen. Der Papst hat in dieser Frage keinen Unfehlbarkeitsanspruch. Es geht mir nicht in den Kopf, dass die Bischöfe nicht Manns genug sind, in ihrem Bistum in der gesetzlichen Konfliktberatung zu bleiben.

Sie sind in der Kirchenvolksbewegung aktiv. Wie lange reicht die Geduld des Volkes?

Die Mehrheit schüttelt einfach nur noch den Kopf. Wenn man die Verlautbarungen zur Sexualität und zur Familienplanung zum Maßstab nimmt, dann sind die katholischen Laien ja schon daran gewöhnt, in der strukturellen Lüge leben zu müssen.

Die Bischöfe kündigen die Kooperation mit dem Staat auf. Ist die katholische Kirche damit noch ein verlässlicher Partner?

Nein, sie hat sich ohne Not aus dem existenziellen Beratungsbereich zurückgezogen. Damit hat sie einseitig die Grundlagen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Staat aufgekündigt. Dadurch, dass jedes Bundesland mit mehreren Bischöfen über bergangsfristen verhandeln muss, gibt es jetzt immer noch keine Rechtssicherheit.

In der Vergangenheit hat sich die katholische Kirche sehr stark drauf verlassen, dass die C-Parteien es schon richten werden. Die Pflichtberatung ist ja maßgeblich auf Intervention der Kirchen über die CDU ins Gesetz geschoben worden. Jetzt erlebt die staunende Öffentlichkeit, dass die Kirche an die Politik die Erwartung äußert, dass der Nachweis doch nicht so wichtig ist. Das ist absurd. Aber die jetzige Generation, auch in CDU, ist liberaler und lässt sich nicht durch weltfremde Anweisungen aus Rom vereinnahmen.

Lediglich die Kirche wollte die Pflichtberatung haben und steigt jetzt aus. Setzen Sie sich nun dafür ein, dass die Pflichtberatung als solche abgeschafft wird?

Natürlich wünsche ich mir den Wegfall der Nachweispflicht. Aber ich war Mitglied im Rechtsausschuss, und ich kann Ihnen Lieder davon singen, was da abgelaufen ist. Ich sehe, dass wir 25 Jahre lang unsägliche Debatten geführt haben, um einen Kompromiss zu finden, und ich plädiere dafür, dass sich alle Parteien daran halten. Gucken Sie sich die Debatten in der CDU über die Abtreibungspille Mifegyne an, dann wollen Sie diesen Kompromiss auch nicht mehr aufschnüren.

Kann die Laieninitiative Donum Vitae die katholische Beratung ersetzen?

Das hängt von ihrer Finanzierung ab. Im Klartext: Es müssen mehr als drei Bischöfe ihrer Gewissensentscheidung folgen und die Laien wenigstens angemessen subventionieren. Nur auf der Basis von Spenden hat Donum Vitae als flächendeckende Einrichtung kaum eine Chance.

Donum Vitae wird weiter nach den strengen bischöflichen Richtlinien beraten. Die katholische Kirche hält Abtreibung für Mord. Da würde ich nicht zur Beratung gehen – die soll doch ergebnisoffen sein.

In den katholischen Beratungsstellen wird nach bischöflichen Richtlinien beraten, aber natürlich auf dem Boden des Gesetzes.Das heißt, die Ergebnisoffenheit und damit die Würde der Frau wird absolut gewahrt. Das sehen Sie auch daran, dass viele muslimische und nicht konfessionell gebundene Frauen diese Beratungsstellen aufsuchen.

Interview: Heide Oestreich