Serben müssen weiter frieren

Die jugoslawischen Behörden verhindern Heizöllieferungen der Europäischen Union für oppositionelle Städte. Dabei erfinden sie zahlreiche Schikanen  ■   Von Andrej Ivanji

Belgrad (taz) – „Wenn es nicht so verdammt kalt wäre, würde ich mich totlachen. Solch einen Zynismus hätte ich nicht einmal von diesem Regime erwartet“, sagt der 30-jährige arbeitslose Ingenieur Vojislav aus Niš. Wie die anderen Einwohner der zweitgrößten Stadt Serbiens wartet Vojislav auch seit Tagen frierend auf die erste Lieferung des von der EU im Rahmen des Programms „Energie für Demokratie“ finanzierten Heizöls für die von der Opposition regierten Städte Niš und Pirot.

Vierzehn Tankwagen voll Heizöl stehen an der Grenze zu Makedonien, knappe 100 Kilometer von Niš entfernt. Doch die jugoslawischen Grenzpolizisten lassen sie nicht passieren. Zuerst hieß es, man müsse die Qualität des Heizöls in Belgrad überprüfen, weil der Verdacht bestehe, das von der EU geschickte Heizöl „entwickle mehr Rauch, als im Land erlaubt sei“. Als das für die chemische Analyse bestimmte Heizöl in einem Plastikkanister in die jugoslawische Hauptstadt gebracht wurde, wiesen die Behörden es zurück – und forderten eine Probe in Blechbehältern. Danach wurde festgestellt, dass sechs Tankwagen etwas mehr als 40 Tonnen wogen. Dafür brauche man eine Sondergenehmigung. Die übrigen acht LKWs wurden mit der Begründung nicht weitergelassen, dass sie zum gleichen Transport gehörten.

„Ich bin zwar kein Politiker, doch selbst mein achtjähriger Sohn hat kapiert, worum es geht. Die müssen uns ja für unendlich blöd halten“, empört sich Vojislav. In Niš habe die Opposition die Kommunalwahlen gewonnen, deshalb solle die Stadt von der EU unterstützt werden. Das international isolierte serbische Regime wolle jedoch mit allen Mitteln beweisen, dass sich die „Zusammenarbeit mit dem Aggressor“ nicht auszahle und man ohne die Genehmigung von Slobodan Miloševic in Serbien nichts tun dürfe. Und deshalb müsse jetzt eine ganze Stadt bei minus zwei Grad frieren.

Der Direktor des Heizwerks in Niš, Radislav Zlatanovic, wurde unterdessen verhaftet. Er habe „Amtsmissbrauch begangen“, weil er die Fernheizung der Stadt aus politischen Motiven auf das Minimum heruntergefahren habe, um zu zeigen, dass Serbien auf internationale Hilfe angewiesen sei – und nicht einfach deshalb, weil es nicht genügend Heizöl gibt. „Das ist ein unerhörter Missbrauch der Polizei für politische Zwecke“, erkärte der Oberbürgermeister von Niš, Zoran Živkovic, Stellverteter von Zoran Djindjic in der oppositionellen Demokratischen Partei. Die Bürgerproteste in Niš sind wegen der Heizölaffäre in den letzten Tagen verstärkt worden.

Das Problem mit dem Heizöl betrifft nur wenige Städte in Serbien. In den meisten, so auch in Belgrad, benutzen die Heizwerke russisches Erdgas, das über Ungarn in zufriedenstellenden Mengen ins Land fließt. Unter dem Katz- und Maus-Spiel des Miloševic-Regimes mit seiner Opposition und der internationalen Gemeinschaft mit dem verhassten jugoslawischen Präsidenten leidet nur die Bevölkerung. Die USA und die EU wollen das Erdölembargo gegen Jugoslawien wegen Miloševic nicht aufheben, und Miloševic will nicht zulassen, dass die von der internationalen Gemeinschaft unterstützte Opposition durch humanitäre Hilfe für die Bevölkerung innenpolitisch Punkte erzielt.