Den Laden einfach nicht im Griff gehabt

■ Warum Übergangs-Ministerpräsident Glogowski stürzte, ist klar – ob noch etwas folgt, nicht

Hannover (taz) – „Eine gute Entscheidung“ sei die Nominierung von Sigmar Gabriel. Sagte Gerhard Glogowski. Und auch ihm selbst, so versicherte er am Samstag, gehe es wieder gut oder „zumindest besser“ als am Tag als am Tag seines Rücktritts.

So kurz, wie Glogowski (56) mit seinen 13 Monaten Amtszeit, hat noch nie ein Ministerpräsident Niedersachsen regiert. Und auch die Dauer seiner Affäre ist rekordverdächig – nur eine Woche lagen zwischen den ersten handfesten Vorwürfen und dem Abschied aus dem Amt. Wenn man einmal von dem Getränkeausschank durch Firmen bei seiner Hochzeitsfeier absieht, ist Glogowski allerdings eine persönliche Bereicherung durch Firmenkontakte bisher nicht nachgewiesen worden. Nicht das Gewicht der einzelnen Anschuldigungen, sondern deren Vielzahl und vor allem Glogowski eigenes Verhalten, seine Flucht ins heimatliche Braunschweig, haben zu dem schnellen Rücktritt geführt.

Viele jüngere niedersächsische SPD-Politiker sahen Glogowski ohnehin von Anfang an nur als Übergangs-Ministerpräsident. Schließlich war er nicht aus eigener Kraft, sondern als Belohnung treuer Dienste für Gerhard Schröder dessen Nachfolger geworden.

Letzte Woche hat er erneut unter Beweis gestellt, wie wenig belastbar er ist. Und wie wenig er seinen eigenen Laden, die niedersächsische Staatskanzlei, im Griff hatte. Und dass er, wie weiland als niedersächsischer Innenminister, immer noch für undurchdachte öffentliche Äußerungen gut ist.

In der niedersächsischen Staatskanzlei müssen jetzt alle Bediensteten Stellungnahmen abgeben, die Vermerke gefertigt haben, deren Wahrheitsgehalt in der vergangenen Woche öffentlich angezweifelt worden ist. Dies hat Staatskanzleichef Peter-Jürgen Schneider angekündigt. Dabei geht es um jene Vermerke, die das Anfordern von Rechnungen bei Firmen betreffen, auf deren Kosten der Ministerpräsident mit Wirtschaftsvertretern ins Ausland gereist war. Mitarbeiter des persönlichen Büros des Ministerpräsidenten haben solche Vermerke geschrieben, obwohl sich die betreffenden Firmen nicht daran erinnern können aus der Staatskanzlei eine Bitte um eine Rechnung auch erhalten zu haben.

Diese Rechnungen hätte allerdings nicht Glogowski persönlich, sondern die niedersächsische Landeskasse begleichen müssen. Auch dafür, dass ein Ministerpräsident nicht sechs Monate lang mietfrei in einer Wohnung im Gästehaus der Landesregierung lebt, haben auch dessen persönliche Mitarbeiter zu sorgen. Glogowski trägt aber die politische und auch persönliche Verantwortung dafür.

Es ist offen, ob diese Vorgänge in der Staatskanzlei und vor allem Glogowskis Braunschweiger Kommunalfilz noch von einem Untersuchungsausschuss durchleuchtet werden. Die Grünen, die diesen Ausschuss als erste forderten, sind auf dem Rückzug. „Ich bin gegen jedes Nachkarten nach diesem Rücktritt“, sagte gestern Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Wulff glaubt offenbar, über einen Glogowski-Ausschuss auch den Bundeskanzler treffen zu können. Widerstände gegen einen solchen Ausschuss gibt es allerdings bei den niedersächsischen Unternehmern, die ja nicht ohne Einfluss auf die CDU sind, und auch bei den Braunschweiger Christdemokraten. ü.o.