Die Würde der Kuh

■ Landluft – Giftgas – Zwangsversteigerung: Die etwas anderen Heimatfilme „Märchen von Moogeland“ und „Dat geit los“ im 3001

„Bist Du o.k., Kuh?“ fragt Bauer Harry (Axel Huber). „Muh.“ Ein bisschen später senkt sie den Kopf und schmeißt den Mann von der Sicherheit (Charles Kissing) um: buff. Eine tolle Persönlichkeit, diese Kuh. Udo A. Engels poetisches Öko-Märchen von Moogeland ist halb gespielt und halb animiert. Die Zweierbeziehung Kuh/Bauer ist unbestimmt komisch, bestimmt Herz ergreifend und nichts zum Vergessen. Falls jemand so etwas Altmodisches wie ein Gemüt hat: genau dafür ist Das Märchen von Moogeland das Richtige. Ein schöner Film. Mir kommt er zwar so vor, als ob er gegen Schluss immer fragmentarischer würde, aber egal, er bleibt huggelig, und ich kann mir selbst ausmalen, was aus Harry und seiner Kuh wird. Denn die Ideallandschaft, die sie ganz für sich bewohnen (hohe Berge, tiefe See), ist von einer ökologischen Katastrophe heimgesucht. Ein Unfall in der Giftgasfabrik. Die Sicherheit schirmt ab. Sie fackelt die Scheune ab. Harry: „Die schnappen wir uns!“ Die Kuh tut, was sie kann. Nach 40 Minuten ist Schluss.Dann sehen wir zum ersten Mal die Totale von Fabrik und Schiffsanleger. Keine Ideallandschaft. Engel bringt zur Premiere die Märchen-Kuh mit. Ich freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen.

Zusammengepackt ist Engels Märchen mit dem 70-minütigen Dokumentarfilm Dat geit los / Der Fall von Bernhard Haar. Eine wahre Geschichte, recherchiert von Paul Albert Wagemann (Buch) und Harriet Kloss (Regie). Über einen Bauern, der allen Banken, Behörden und Ämtern zum Trotz seine Würde behielt, wenn auch leider nicht seine Kühe (Schlachthaus). „Ich mach aus Protest das, was ich will, und dann hab ich Genugtuung für mich“, sagt Bernhard Haar völlig unaufgeregt und überlegen, ganz bei sich selbst. Und dabei ist sein Hof, an der Eisenbahnlinie zwischen Kiel und Schleswig, gerade zwangsversteigert worden.

Die Beamten haben aber dabei ein Zipfel Land vergessen. Da ist Bernhard jetzt, und da bleibt er. Er korrigiert die Verschraubung vom Windrad, und „wenn ich Wechselstrom haben will, mach das Aggregat in Gang“. Er spricht und guckt so wie Detlev Buck mit 50. Der Berichterstatter vom Eingabeausschuss macht beim Lokaltermin einen eher unglücklichen Eindruck: „Da ham wir 'ne Petition zu gehabt“, formuliert er frei in die Kamera. Ob er am längeren Hebel sitzt, erfahren wir aus dem Rolltitel vor dem Nachspann. Bernhard Haar wäscht sich das Gesicht mit Schnee, Optimist gegen alle Umstände. Ein Held aus Schleswig-Holstein. Er hätte es nicht nötig gehabt, dass im Film Cello und Klavier ertönen, wenn er Rad fährt. Aber geschenkt. Was zählt, ist, dass der Film ihn nicht kommentiert, sondern es dem Bauern überlässt: das Bild und Wort von Dat geit los. Dietrich Kuhlbrodt

heute und morgen, 20.30 Uhr, 3001