Warum Tjikuzu nicht gelobt werden darf

Werder gewinnt gegen den HSV, und Pagelsdorf muss sein Hütchen mit auf die Tribüne nehmen  ■ Von Ian Watson

Werder gegen Hamburg – das Nordderby: Ein Spiel mit hohem Tempo. Ein Spiel mit vielen Fehlpässen und Abspielfehlern – mit denen man aber viel weniger kritisch umgeht, wenn man erkennt, dass sie durch konsequenten Druck des Gegners entstanden sind. Denn beide Seiten zeigten am Sonntagabend Pressing und vorbildliches Zweikampfverhalten; abgesehen von einer Kerze durch Herzog war nämlich vom Geist des Advents nichts zu spüren.

Adrenalin, Ailton und Abseits; hohe Geschwindigkeit mit gelegentlich überhasteten Aktionen. Es gab erfreulicherweise keine Auszeiten (außer Ailtons wiederholten Perioden im Abseits), keine Langeweile. Auch beim 0:0-Pausenstand kein Grund zum Ärger. Denn von der ersten Minute an lag ein Tor in der Luft. Frage war nur: auf welcher Seite? Und überall der Frings, der Bremer mit den meisten Ballkontakten: hinten mit Fallrückzieher klärend, von links und rechts flankend, fünf Torschussvorlagen, darunter zwei Freistöße, die fast zu Toren wurden – und dann der begnadete Pass zum 2:0 (81. Minute).

Kaum ein Bremer darf unerwähnt bleiben: Baumann, der von Spiel zu Spiel reift; Wojtala, wieder da, der Yeboah endgültig ausschaltete; Rost, der nicht nur gut hielt, sondern durch kluge Abwürfe auffiel; Eilts, der wieder einen eigenen Fehler durch engagiertes Zurücklaufen gutmachen konnte; Maximov, heute Abend der stille aber eigentliche Spielmacher, dieses Mal mit weniger Abspielfehlern und entscheidender Ballverteilung. Außer dem offensichtlich müden Cesar und dem im Durchhänger befindlichen Pizarro gab es nur zwei richtige Enttäuschungen. Bei Marco Bode denkt man manchmal, er speist nur vom Nationalspielerbonus. Bis zur 60. Minute abgemeldet, beinahe abgeschrieben, machte er dann doch das Tor und blieb im Plus. Der Applaus bei Herzogs Auswechslung schien hingegen einen Hauch von Nostalgie und Solidarität an sich zu haben. Denn gut hat er wirklich nicht gespielt. Zwei gute Aktionen in der zweiten Halbzeit, sonst Fehlpässe, Fahrlässigkeit und das langsam auf die Nerven gehende Granteln. Selbst seine Einwürfe schienen nicht anzukommen. Er hat sich geschickt das Image des Ärmelhochkremplers und Warmduscherschrecks zugelegt, aber von der Leistung her muss er sich selbst an der Nase fassen und nicht immer andere wegen mangelnder Einstellung anprangern.

Und der Gegner? Bissig und aggressiv präsentierte sich der HSV. Von Biss und Aggression her fiel vor allem auch Roy Präger auf – der allerdings äußerst negativ. Galle spuckend randalierte er durch die erste Hälfte, lieferte Rededuelle irgendwelcher Art mit Raschi Tjikuzu, auf den von sowohl Schaaf als auch Kamp eingeredet werden musste, dass er sich nicht provozieren lassen sollte (20.). Eine unangenehme Erscheinung insgesamt, denn was in der Wolfsburger Frische noch als sympathische Underdog-Frechheit durchging, verwandelt sich offensichtlich in Überheblichkeit. Man hatte den Eindruck, bei ihm liegen die Nerven blank.

Vielleicht auch kein Zufall, dass Präger an der Szene beteiligt war, wo Pagelsdorf das Kunststück brachte, das Hütchen, das die DFB-Bürohengste als Abgrenzung für nötig halten, aufs Spielfeld förderte. Der Hamburger Trainer, der manchmal als unterkühlter, Emotionen unterdrückender Gegenpart zum Lorant zitiert wird, wurde nach seinem Vulkanausbruch auf die Tribüne verbannt. Entgegen der Selbstinszenierung des Löwen-Trainers erschien diese Aktion genauso sympathisch wie Pagelsdorfs Behauptung nachher, er habe das Hütchen nur ein paar Zentimeter schleudern wollen und wüsste nicht, dass er so viel Kraft in den Beinen habe. Genau so sympathisch wie realistisch seine Einschätzung des Spiels, in dem er bewusst auf Risiko gegangen sei.

Das letzte Wort erhält aber Razundara Tjikuzu. Überhaupt Tjikuzu. Jetzt ist aber größte Vorsicht angesagt. Denn in diesen Zeilen habe ich in der Vergangenheit auf zwei Werderaner Lobeshymnen gesungen, die sich als Todeskuss erwiesen haben. Lody Roembiak, scheint im Moment weg vom Fenster zu sein; und Christian Brand wurde weggeekelt. Also lasse ich am besten unerwähnt, dass der Junge, der jetzt Brands Nummer übernommen hat, am Flügel brillierte, mehrere Gegner schwindelig sowie mit Eilts und Baumann Doppelpass spielte. Ich lasse zum Schluss nur den Namen genüsslich aber kommentarlos über die Zunge rollen: Tjikuzu.

Der irische Schriftsteller Ian Watson ist Dozent für englische Sprache und Literatur an der Universität Bremen.