Herr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Albert Hefele

So ein Leben haben Starreporter: Der von allen Zeitungen begehrte und umworbene Kolumnist erhält einen flehentlichen Anruf aus der Berliner Redaktion: „Würden Sie die Güte haben, etwas Zeit für unser nichtswürdiges Blatt zu erübrigen? Ein klitzekleines Wochenende in München? Und dabei eventuell ein paar Zeilen für uns über das Derby . . . Sie wissen schon – eigentlich geht es uns nur darum, Ihren Namen in unserem Blatt zu haben . . . Wir würden Ihnen auch ein schönes Doppelzimmer (zwinker) in einem schönen Hotel . . . das Hilton vielleicht . . .?“

 „Wos woin denn Sie do?“, grantelt der Ordner. Erfahrungen eines Starreporters

Der Starreporter blättert leicht genervt in seinem übervollen Terminkalender, denn eigentlich wäre da dieser Termin in Bangkok . . . aber na gut . . . ausnahmsweise . . . das Hilton ist doch ganz schön.

Natürlich war alles ganz anders, aber doch wenigstens ein kleines bisschen so. Zumindest, was das Hilton angeht. Das umgebaut wird und alles, was einen Laptop einschalten kann, zum „Presseevent“ lud. Denen ging es logischerweise überhaupt nicht um das Derby, um den Starreporter schon gar nicht, vielleicht noch um eine Erwähnung in Berlin. Wahrscheinlich aber war alles ein Irrtum, weil die noch sehr jungen PR-Damen keinen Dunst hatten, was die von der taz für welche sind.

Dem rasenden Kolumnisten war alles recht, und was ihm beim chinesischen Abendessen an Hilton-Infos vorgeblasen wurde, ging ihm bei einem Ohr rein und beim anderen zügig wieder hinaus. Der Wein war einwandfrei, und im riesigen Doppelbett träumte man den Traum von journalistischer Wichtigkeit. Überhaupt: Zimmer von erster Güte – wenn auch schon früh um zehne die Schlagbohrer einsetzten – Umbau, wie gesagt.

Jedenfalls wähnte sich der rasende Kolumnist für zwei Tage in einer bedeutenden Rolle. So könnte es sein – und ums Haar wäre man mit dem Taxi ins Stadion gefahren. Der gesunde Menschenverstand gewann aber noch rechtzeitig die Oberhand, und man stakste in die U-Bahn, wie es sich gehört, und zwängte sich zwischen Sechziger- und Bayern-Fans und war spätestens im Stadion wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt. Die Platzanweiserin (sagt man so?) liest die Pressekarte und deutet ganz nach oben und kann sich eines hämischen Grinsens nur mühsam erwehren. Reihe zwanzig – das ist die letzte Reihe der Pressetribüne – da, wo die schreibenden Prolos hocken. Ganz hinten im Eck, schon mit Kontakt zu den obersten und billigsten Zuschauerrängen. Nix mit Starreporter. Immerhin: Es kostet keinen Eintritt, und man darf in der Mixed-Zone mit den Spielern und Trainern sprechen. Wenn man hinkommt und nicht zufällig auf einen schlecht gelaunten Ordner (eventuell Bayern-Fan) trifft, der einen Mores lehrt: „Wos woin denn Sie do?“ Aber im Pressezentrum gibt es belegte Brötchen und Kaffee und alles, und alle plappern in ihre Handys, und man spielt mit dem Gedanken, etwas am Diktiergerät zu horchen. Wegen wichtig. So dünn ist das Eis zur schieren Blödheit.

Der rasende Kolumnist ertappt sich dabei, dass er die etwas beneidet, die sich kennen und die von den anderen erkannt werden. Nickles vom DSF zum Beispiel, mit wehendem Mantel den Kameras voraneilend, oder Martin Hägele, der an keinem Fernseh-Fußballstammtisch fehlt und trotzdem ein netter Mensch zu sein scheint. Ganz und gar nicht nett wirkt Rolf Töpperwien. Ein selten schmieriger Nickkasper, der fürchterlich stolz darauf ist, dass er Herrn Wildmoser kennt, und dessen vorauseilende Zustimmung einen an die früher in Krankenhäusern stehenden kleinen Porzellanneger erinnert, die für zehn Pfennig anhaltend mit dem kleinen Haupt pendelten. Immerhin: Töpperwien ist einer der Starreporter – sein schiefes Lächeln und die Froschaugen sind ein Begriff. So möchte man aber dann doch nicht werden. Nicht für alle Suiten im Hilton und nicht für alles Geld der Welt.