Letztendlich wird die Politik erpressbar

betr.: „Nach Ökosteuer-Kompromiss hält RWE doch an Garzweiler II fest“, „Wirtschaft braucht mehr Kontrolle“, taz vom 24. 11. 99

Beide Beiträge zeigen wieder einmal die Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft. Auf der einen Seite die Befristung der Förderung von umweltfreundlichen Gaskraftwerken auf massiven Druck der Braunkohlelobby in NRW. Und der sich oft als „Modernisierer“ gebende Clement wird so zum Handlanger der Industrie.

Die Politik muss weiterhin mit Gesetzen und Verordnungen lenkend eingreifen, wenn die natürlichen Lebensgrundlagen in Gefahr sind. Die Freiheit der/des Einzelnen und auch der Wirtschaft hat seine Grenzen, wenn die Umweltschäden in einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung größer als der Nutzen sind.

Aber auch das zweite Titelthema vom 24. 11. 99 verdeutlicht die immer kleiner werdende Gestaltungsmöglichkeit der Politik. Der Fall Holzmann kann sich schnell zum Desaster für die Bundesregierung entwickeln. Denn wenn der Staat jetzt bei jedem drohenden Konkurs eingreift, dann wird es nichts mit dem Sparkurs. Jeden Tag kommen neue, kränkelnde Betriebe hinzu. Letztendlich wird die Politik erpressbar.

Auch hier liegt die Lösung eigentlich woanders. Die Regierung kann nicht nur „Feuerwehr“ spielen – sie muss an den „Wurzeln“ anpacken – durch echte Reformen und Förderung von ökonomisch und ökologisch sinnvollen Projekten.

Holzmann ist hier eigentlich ein Negativbeispiel – überwiegend Großprojekte und meist Neubauten. Dies ist zum einen ökologisch problematisch wegen der Flächenversiegelung und außerdem schaffen solche Projekte im Verhältnis zur Sanierung/Modernisierung weniger Arbeitsplätze. Besonders im Bau- und Verkehrsbereich bringt das Festhalten an Großprojekten und -unternehmen kaum Arbeitsplätze. Werner Schmidt,

LandesAG Verkehr Brandenburg, Sprecher des Landes AK

Verkehr u. Siedlungswesen Bayern B‘90/ Grüne

Auch wenn ich es gerne glauben würde – einen „nie dagewesenen Boom“ der Zukunftsbranche Solarenergie, wie Bernward Janzing mutmaßt, wird es wohl vorläufig genauso wenig geben wie ein Abkehren von konventionellen Energieträgern – deshalb wundert es schon, dass „die Grünen mit dem Kompromiss (gut leben können)“. Denn dieser beschlossene Kompromiss ist ein ausgesprochen fauler, den sich die Grünen noch dazu äußerst teuer erkauft haben.

Im Einzelnen: Die von den Grünen gefeierte Steuerbefreiung für hocheffiziente Gaskraftwerke ist das Papier nicht (mehr) wert, auf dem sie steht – höchstens ein einziges (!) Kraftwerk wird in ihren Genuss kommen.

Der als Ausgleich geforderte KWK-Anteil kann, wenn er nicht ohnehin eine zehnprozentige Steigerung innerhalb der nächsten zehn Jahre erreicht (wer garantiert übrigens, dass eine andere Bundesregierung die Quote nicht wieder zurücknimmt?) problemlos auch im Ausland zugekauft werden; das ändert am heimischen Energieerzeugungsmix nichts, und neue Arbeitsplätze werden damit auch nicht geschaffen – eine angemessene Bezahlung der Kilowattstunde wäre hier der weitaus bessere Weg gewesen.

Die außerdem zugestandene erhöhte Einspeisevergütung für Solarstrom ist zwar eine nette Geste der SPD, wird allerdings wirkungslos bleiben, da sie nicht kostendeckend ist und außerdem wichtige Regelungen wie zum Beispiel zur Laufzeit und zur Degression der Kostenentwicklung fehlen. Sie bleibt damit ein Zuschussprogramm, das nur Idealisten, die Geld übrig haben, nutzen werden. Erst die völlige Kostendeckung (derzeit bei zirka 1,28 DM/kWh inklusive 100.000-Dächer-Programm) wird – wie beim Windstrom auch – den Boom bringen!

Dass meine Einschätzung, die Grünen hätten der Kraft-Wärme-Koppelung und den regenerativen Energien hier einen Bärendienst erwiesen, so falsch nicht sein kann, deutet im übrigen Ihre Schlagzeile auf der Seite 2 an: „Ökosteuer: (Kohlefreund) Clement ist dabei“ ...

Markus Holt, umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion B'90/Grüne Gladbeck

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