Neues Programm – neue PDS?

Kommt die Partei in der Bundesrepublik an? Die PDS-Führung möchte dafür das Programm erneuern. Gestern beriet der Vorstand über ein Thesenpapier  ■   Von Jens König

Berlin (taz) – Uwe-Jens Heuer möchte nie so werden wie Joschka Fischer. Der deutsche Außenminister ist für den ehemaligen DDR-Juraprofessor so etwas wie ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin man kommt, wenn man Macht hat. „Im Oktober 1998 ließen die Amerikaner Fischer genau 15 Minuten Zeit, um über Krieg und Frieden im Kosovo zu entscheiden“, so Heuer, „und Fischer entschied sich für den Krieg – entgegen seiner bisherigen Haltung.“

Nun könnte man Uwe-Jens Heuer schnell beruhigen. Als Chefideologe des „Marxistischen Forums“ in der PDS stehen seine Chancen, Außenminister zu werden, nicht so gut. Aber Heuer möchte auch nicht, dass die PDS so wird wie die Grünen – eine Partei, die laut Heuer ihre Überzeugungen aufgibt, nur weil sie in der Regierung sitzt. Und so kämpft der 72-Jährige seit Tagen gegen die Thesen zur Programmdebatte in der PDS. Im April nächsten Jahres soll ein Parteitag entscheiden, ob die PDS ein neues Grundsatzprogramm braucht oder ob das alte Programm von 1993 nur umgeschrieben wird. Grundlage für diese Entscheidung sind vor allem die jetzt vorgelegten Thesen einer 17-köpfigen Kommission. Gestern hat sich der Bundesvorstand zum ersten Mal mit ihnen beschäftigt.

Heuer und andere in der Partei hegen den Verdacht, dass Parteichef Lothar Bisky sowie die PDS-Reformer um Gregor Gysi nicht nur ein neues Grundsatzprogramm, sondern gleich eine neue PDS wollen. Die Traditionalisten in der Partei, zu denen Heuer zählt, vermuten hinter einer solchen „neuen PDS“ eine zweite SPD. Die sei überflüssig, sagen sie. „Mit diesen Programmthesen wird der nächste Parteitag zum Bad Godesberg der PDS“, ist Heuer überzeugt. „Bad Godesberg“ sagt er mit leichter Verachtung in der Stimme. Der SPD-Reformparteitag von 1959 ist für ihn Synonym für das radikale Ankommen im kapitalistischen System. Dabei wollte man das doch gerade überwinden.

Letzteres würden Bisky und Gysi sogar unterschreiben. Die PDS soll eine linke, sozialistische Partei werden, das ist das Ziel der Parteireformer. „Bad Godesberg liegt mir genauso nah oder fern wie Wandlitz“, pflegt der Parteivorsitzende zu sagen. Aber was Sozialismus bedeutet und wie die Genossen dorthin gelangen, darüber streitet sich die Partei.

Bisher war in der PDS alles möglich, ob links oder rechts, autoritär oder antiautoritär, ökologisch oder wachstumsorientiert, Opposition oder Regierung – das soll nach dem Willen der Parteiführung mit dem neuen Grundsatzprogramm anders werden. In den Thesen wird Abschied genommen von der Vorstellung, die kapitalistische Gesellschaft mittels einer Revolution zu überwinden. Die „soziale Entbändigung des Kapitalismus“, die „Dominanz des Profitstrebens“ sollen mittels staatlicher Regulierung zwar beseitigt werden, aber die Institutionen dieser Gesellschaft – Rechtsstaat, Markt, pluralistische Demokratie – sollen erhalten und als zivilisatorische Errungenschaften verteidigt werden. Sie böten Chancen, so heißt es in dem 57-seitigen Papier, für einen sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft.

Aber nicht, dass einer glaubt, die PDS denke nur an ihre Utopien von morgen. Als wolle er die Befürchtungen von Uwe-Jens Heuer geradezu bestätigen, stellte PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch der Partei gestern ein klares Ziel: 2002 müsse sie im Bund koalitionsfähig sein. Noch hat sie für diese Entscheidung mehr als 15 Minuten Zeit.