Die Reihen der CDU sind nicht mehr geschlossen

■ Die CDU schwankt zwischen Hoffen und Bangen. Die schöne Siegesstimmung nach den Landtagswahlen ist dahin. Und alle wissen: An den Vorwürfen gegen Kohl ist etwas dran

Für alle, die Altkanzler Helmut Kohl kennen, war spätestens seit seinem aggressiven Auftritt im Bundestag klar: „Der Alte ist unglaublich nervös. Da stimmt was nicht.“ Doch dass noch am Wochenende der Kanzler der Einheit, der die CDU 16 Jahre lang fest im Griff hatte, in den Strudel der Affäre um Parteispenden und schwarze Kassen gezogen würde, damit hatte keiner gerechnet. Schließlich hatte Kohl zu Beginn der Schreiber/Kiep-Affäre noch selbstgefällig getönt: „Ich weiß von der Sache nichts. Die politische Führung der Partei hat damals auch nichts gewusst. Das ist viel Lärm um nichts.“

Aus dem Nichts entwickelt sich nun ein politischer Skandal. Die Schreiber/Kiep-Affäre um die Millionenspende für die CDU wird zunehmend zu einer Affäre Helmut Kohl. An deren Ende könnte stehen, dass Kohl sich seine Position in kritischen Zeiten mit großzügigen Spenden an Landesverbände erkauft hat.

Wenn es so war, muss manche Entwicklung in der Partei innerhalb der Ära Kohl neu bedacht werden. Nicht nur der Bremer Parteitag 1989, als Kohl von der „Viererbande“ Späth, Süssmuth, Geißler und Blüm gestürzt werden sollte. Bisher war nur bekannt, dass Kohl keine unabhängige Persönlichkeit neben sich duldete. „Rivalen sind im System nicht vorgesehen“, schreibt der Kohl-Biograf Klaus Dreher. Gleichzeitig hat Kohl nach dem Motto „jeder muss nicht alles wissen“, nur sehr wohl dosiert Funktionsträger ins Vertrauen gezogen.

Kohls Allmachtsanspruch hatte spätestens nach dem Rausschmiss von Geißler als Generalsekretär durchschlagenden Erfolg. „Seit Geißler gefeuert wurde, hat sich kaum noch einer getraut, Kohl inhaltlich zu widersprechen. In der Partei herrschte vorauseilendes Gehorsam“, erinnert sich einer, der – natürlich – nicht mit Namen genannt werden möchte.

Aus den schwarzen Kassen, sagt Geißler nun, habe Kohl sich wenn nötig bedienen können. So seien die 800.000 Mark Kosten für einen von Kohl angeordneten Mitgliederbrief aus einem der dubiosen Konten beglichen worden. Er selbst habe Kohl mehrfach aufgefordert, alle Parteiausgaben über den normalen Etat der Bundesgeschäftsstelle abzuwickeln. Das habe zu einem heftigen Krach zwischen ihm und Kohl geführt.

In der CDU, die dank den Erfolgen bei den Landtagswahlen gerade dabei war, sich von der schmerzlichen Wahlschlappe von 1998 zu erholen, schwankt man zwischen Hoffen und Bangen.

In der Fraktionssitzung, in der Kohl sich zu der Kiep-Affäre geäußert und seine Position dargelegt hatte, war es ihm noch einmal gelungen, die Reihen fest zu schließen. Noch ist der Alt-Kanzler die Ikone der Partei. Doch langsam bröckelt die Front. „Er müsste sich zu der Geschichte bekennen und die Verantwortung übernehmen“, sagt ein Abgeordneter. Dann wäre die Luft raus. Doch im Stillen geht er davon aus, dass der Altkanzler weiter abwiegelt und die Partei mit in den Sumpf zieht.

Die Parteispitze will nun vor allem eines: Die Affäre so schnell wie möglich in den Griff kriegen. So haben Generalsekretärin Angela Merkel und Parteichef Wolfgang Schäuble im Einvernehmen mit Kohl alle Unterlagen vom langjährigen CDU-Finanzberater Weyrauch sofort angefordert. Sie sollen von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer kontrolliert werden. Die Geschäftsverbindung mit Weyrauch, der auch in die Affäre verwickelt ist, ist zum Jahresende sowieso aufgekündigt.

Schäuble, einst Kanzleramtsminister unter Kohl, geht inzwischen auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef und kündigte im ZDF eine „rückhaltlose Aufklärung“ der Vorwürfe „ohne Ansehen der Person“ an. Gleichzeitig betonte er, niemand habe in die eigene Tasche gewirtschaftet und es sei „absurd“ zu glauben, dass Kohl käuflich gewesen sei.

Kohl selbst hüllt sich nun lieber in Schweigen. Eine schnarrende Vorzimmerdame wimmelte die Journalisten gestern ungehalten ab. Karin Nink, Berlin