Sprache schafft Chancen

■ Türkische Gemeinde in Deutschland startet große Bildungsoffensive

Schon die Startchancen sind schlecht. Dass jedes fünfte türkische Kind in Deutschland die Schule ohne Abschluss verläßt, liegt mit daran, dass es im Unterricht das doppelte Programm zu bewältigen hat: Neben mathematischen Formeln, Buchstaben und Hauptstadtnamen muss es erst noch die Unterrichtssprache lernen. Denn eine große Zahl von Kindern türkischer Herkunft spricht kein Wort Deutsch, wenn es in die Schule kommt. Die türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) stellte deshalb gestern in Hamburg eine Bildungskampagne vor: Sie fordert Eltern auf, ihre Kinder spätestens nach dem dritten Lebensjahr in den Kindergarten zu schicken.

„Wenn die Kinder erst in der Grundschule anfangen, Deutsch zu lernen, fehlen ihnen häufig noch in der achten Klasse Fachbegriffe, zum Beispiel in Mathematik“, erklärt Gülsen Demirörs, Vorsitzende des türkischen Lehrervereins in Hamburg. Können die Kinder dem Unterricht nicht folgen, lenken sie sich selbst mit Unfug ab – und werden als Problemkinder oder verhaltensauffällig stigmatisiert. Im Kindergarten hingegen könnten sie schon Jahre früher spielerisch die Sprache lernen.

Damit die Kampagne nicht ins Leere läuft, sind außer den türkischen Eltern auch die deutschen Behörden aufgefordert, Bildungs-chancen für Kinder nichtdeutscher Herkunft zu verbessern, betont der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde Hakki Keskin. Der Spracherwerb müsse in Grundschulen und Kindergärten verstärkt gefördert – und Kindern die Teilhabe ermöglicht werden. Denn Kitaplätze sind teuer, viele nichtdeutsche Familien, so Ayfer Findik vom türkischen Elternverein Hamburg, verdienen nicht viel Geld – und haben mehr als ein oder zwei Kinder. Zudem ergattern türkische Familien oft keinen Ganztagsplatz, weil die Mutter nicht berufstätig ist. Lediglich halbe Tage könnten die Sprößlinge in die Kita gehen. Und in Halbtages-Einrichtungen, kritisiert Karin Müller-Körber, Leiterin des Kindergartens Dulsberg, „finanziert die Behörde keine Sprachförderung“. Elke Spanner