Von der Pleite zur Erfolgsstory

Das Berliner Innovations- und Gründerzentrum wird zwölf Jahre alt und boomt wie nie zuvor. Das Modellprojekt wurde über hundert Mal in Deutschland kopiert. An der Weddinger Voltastraße wurde die PC-Fax-Karte erfunden  ■ Von Lars Klaaßen

An diesem Wochenende veranstaltet die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie die diesjährigen Gründertage. Seminare, eine Kontaktbörse und andere Infoveranstaltungen sollen Teilnehmern den Weg in die Selbstständigkeit weisen. Außerdem kann ein Projekt der Senatsverwaltung für Wirtschaft, das ebenfalls als Starthilfe für Jungunternehmer ins Leben gerufen wurde, auf eine langjährige Erfolgsgeschichte zurckblicken: Das Berliner Innovations- und Gründerzentrum (BIG).

Am Anfang stand zunächst einmal eine Pleite: 1981 machte AEG den Standort an der Voltastraße im Wedding dicht. Die Folge waren Arbeitslosigkeit, Krisenstimmung und die Übernahme des Werksgeländes durch die Stadt. Nun galt es, den angeschlagenen und abgelegenen Wirtschaftsstandort Berlin wieder aufzupäppeln. Da schlug die Stunde des BIG: Gemeinsam mit der Technischen Universität (TU) gründete der Senat das Zentrum im Jahr 1983. Ziel des Ganzen: Existenzgründer aus dem Bereich der Universitäten und Hochschulen sowie aus anderen Bereichen mit innovativen Technik- und Produktentwicklungen zu fördern.

Die Ansiedlung des BIG auf dem ehemaligen Werksgelände sollte neue Arbeitsplätze schaffen und zukunftsträchtige Wirtschaftszweige in Berlin aufbauen. „Dies sollte in einem Umfeld erfolgen, daß es den Firmen durch Verflechtungen und vielfältige Kooperationsmöglichkeiten und Synergien leichter macht“, erläutert Michael Haug, Geschäftsführer des Innovations-Zentrums Berlin Management (IZBM), der Betreiberin des BIG. Das heißt: Die Existenzgründer greifen sich gegenseitig unter die Arme und werden auch von den TU-Wissenschaftlern unterstützt. „Die Unternehmer sind froh, wenn sie bei der Entwicklung ihrer Produkte auf TU-Einrichtungen zurückgreifen können“, beschreibt Haug die ineinandergreifenden Interessen. „Andererseits kann es einem Institutsleiter nur recht sein, wenn seine Einrichtungen von der Wirtschaft genutzt werden, denn das bringt der Universität Geld.“ Wichtig für die Zusammenarbeit, betont Haug, sei jedoch in erster Linie der „menschliche Faktor“. Etwa 130 Personen müssen auf leitender Ebene miteinander kooperieren. Haug weiß: „Wenn da zwei nicht miteinander können, läuft auch nichts – aber normalerweise läuft es wirklich sehr gut.“

Für die Existenzgründer im BIG ist entscheidend, daß die Mieten niedrig gehalten werden. Etwa 15 Mark pro Quadratmeter zahle ein Jungunternehmer, so Haug. Wer allerdings in den Genuß dieser Vorteile kommen möchte, muß einige Bedingungen erfüllen: Die Firma darf nicht älter als zwei Jahre sein, nicht mehr als 10 Millionen Mark Umsatz im Jahr machen und nicht mehr als 10 Mitarbeiter haben. Wichtigste Voraussetzung ist jedoch, daß die Bewerber mit einer Innovation in Form eines Produktes, einer Dienstleistung oder eines Verfahrens aufwarten können. Unter anderem wurde von einem ansässigen Existenzgründer die Fax-Karte für PCs erfunden.

Die Aufenthaltsdauer im BIG ist auf fünf Jahre beschränkt. Deshalb wurde 1985 der Technologie- und Innovationspark (TIB) gegründet und ebenfalls von der IZBM betrieben. Firmen, die ihre Gründungsphase gemeistert haben, können sich dort für maximal zehn Jahre ansiedeln, wenn sie aus dem BIG heraus müssen oder älter als zehn Jahre sind. Auch die Mitarbeiter- und Umsatzbegrenzung gilt im TIB nicht. Bedingung ist allerdings auch hier eine Innovation. Beide Zentren arbeiten in sieben Technologiefeldern, unter anderem in Umwelttechnik, technologischen Dienstleistungen und Medienproduktion.

1983 arbeiteten im BIG 14 Firmen mit insgesamt 27 MitarbeiterInnen auf einer Fläche von 2.600 Quadratmetern. Es war das erste Zentrum dieser Art in Deutschland. 1994 betrug die Gesamtfläche von BIG und TIB rund 100.000 Quadratmeter. Davon entfielen 5.500 Quadratmeter auf das BIG mit 22 Firmen, die insgesamt 220 MitarbeiterInnen beschäftigen. 55.000 Quadratmeter Fläche stehen TIB (46 Firmen, rund 1.300 MitarbeiterInnen) zur Verfügung und 37.000 der TU. Die Uni ist mit 14 Instituten und etwa 600 MitarbeiterInnen auf dem ehemaligen AEG-Gelände vertreten. Wichtige Forschungsbereiche: Straßen- und Schienenverkehr, Biotechnologie, Arbeitswissenschaften und Mensch-Maschine-Systeme. Die Unternehmen haben im Jahre 1994 einen Umsatz von rund 260 Millionen Mark erwirtschaftet. BIG/TIB ist nach Schering der zweitgrößte Arbeitgeber in Wedding.

„Aus dem Versuch, die wirtschaftlichen Strukturen zu verändern und mittelfristig eine Vielzahl von neuen Arbeitsplätzen zu schaffen, ist ein erfolgreiches Modell geworden“, freut sich Haug. Dieses Modell ist mittlerweile hundertfach in allen Bundesländern kopiert worden. „Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, daß ein Arbeitsplatz im Zentrum zwischen drei bis fünf Arbeitsplätze im Umfeld sichert oder neu schafft“, berichtet der IZBM-Geschäftsführer. Dies umgerechnet auf die Zentren könne bedeuten, daß etwa 3.000 bis 5.000 Arbeitsplätze mit einem Umsatzvolumen von 450 bis 750 Millionen Mark zusätzlich geschaffen würden, schätzt Haug. Diese zusätzlichen Arbeitsplätze entstünden, wenn die Jungunternehmer Aufträge vergeben: „Wenn hier jemand Software entwickelt und dazu bei einer anderen Firma ein Handbuch erstellen läßt, tritt dieser Effekt schon zutage.“

Aus den Erfahrungen des ersten Zentrums, des BIG, wurde von der Betreibergesellschaft das Innovations- und Gründerzentrum (IGZ) in Adlershof entwickelt und betrieben. Die Berliner Zentren in Wedding, Adlershof und in der Wuhlheide arbeiten mit den an Berlin angrenzenden Zentren im Innokolleg zusammen. Damit bilden sie ein regionales Netzwerk der Gründerzentren.