„Wir können den Kopf nicht öffnen“

■ Ein Armenier und ein Georgier stehen wegen Schutzgelderpressung vor Gericht

Schutzgelderpressung ist eine „aktuelle Sache“, so die Einschätzung von Staatsanwalt Jürgen Chistowzik. „Mit stark ansteigender Tendenz“, ergänzte er gestern. Doch einer „enorm hohen Dunkelziffer“ stehe eine „Minderheit von Fällen“ gegenüber, bei denen Betroffene ihre Angst überwinden und Anzeige erstatten.

Der gestern vor dem Landgericht begonnene Prozeß gegen den Armenier Tigran A. und den Georgier Artour M. könnte zu diesen Ausnahmefällen gehören. Die Staatsanwaltschaft wirft den 26- und 27jährigen Angeklagten vor, sich im November letzten Jahres einer international operierenden Gruppe, die vorwiegend aus Albanern bestehe und der „Russenmafia“ zuzuordnen sei, angeschlossen zu haben. Die Angeklagten, die sich seit Dezember in Untersuchungshaft befinden, sollen im Dezember mehrmals ein armenisches Restaurant am Schiffbauerdamm in Mitte aufgesucht haben und von dem Besitzer, dem Armenier Robert K., 15.000 Mark gefordert haben. Weigere er sich, so die Anklage, drohten sie ihm mit der Zerstörung seines Lokals und Angriffen gegen seine Familie.

Doch der Restaurantbesitzer weigerte sich zu zahlen und ging zur Polizei. Gestern wurde Robert K. als Hauptbelastungszeuge gehört. Seine Schilderung und die der Angeklagten, die unentwegt ihre Unschuld beteuerten – „Wir sind keine Gauner“ –, könnten verschiedener nicht sein. Während der Wirt, der sein Lokal seit einem Dreivierteljahr betreibt, von eindeutigen Drohungen sprach – „Wenn ich nicht will, daß was passiert, soll ich zahlen“, – schilderten die Angeklagten, die wesentlich älter aussehen als sie sind, eine komplizierte Geschichte.

Ein „guter Bekannter“ von ihnen habe sie im Sommer 1994 in Armenien aufgesucht und sich umgerechnet 15.000 Mark für den Grabstein seines Vaters geliehen. Um dieses Geld abzuholen, seien sie im November nach Berlin gekommen, wo der „Bekannte“ lebt. Weil er das Geld aber nicht hatte, habe er ihnen vorgeschlagen, Schulden, die Robert K. bei ihm habe, mit seinen zu „verrechnen“. Robert K. solle von den 20.000 Mark, über die er einen Schuldschein auf eine Berliner Handelsfirma habe, der bei einer Hausdurchsuchung gefunden wurde, die fälligen 15.000 an die Angeklagten zahlen. Robert K. bestätigte gestern den Schuldschein über 20.000 Mark und daß ihm der Bekannte im Juli vergangenen Jahres gesagt habe, er solle diesen Betrag an die Angeklagten zahlen.

Die ohnehin nicht einfache Verhandlung wurde durch das Sprechen der Angeklagten in der Wir- Form, als Ausdruck ihrer „brüderlichen Nähe“, noch komplizierter. Ein Satz des Vorsitzenden Richters in Richtung der Angeklagten spricht Bände: „Wir können den Kopf nicht öffnen. Wir wissen nicht, ob sie die Wahrheit sagen.“ Mit einem Urteil ist Mitte Oktober zu rechnen. Barbara Bollwahn