Neue alte Notizen aus der Provinz

Von der ewigen Wiederkehr des Gleichen bedröppelt in die Schranken verwiesen, kassiert Borussia Dortmund mit 1:3 zum wiederholten Male eine Niederlage gegen Juventus Turin  ■ Von Katrin Weber-Klüver

Ihre erste Reise auf dem Weg zum größten europäischen Titel führte die Männer von Juventus Turin nach Dortmund. Dortmund? Ach ja, das kannten sie bereits, das war doch dieser rührige Volksverein mit dem stimmungsvollen Fußballstadion, der zu Geld gekommen und im x-ten Anlauf schließlich Meister in seiner heimeligen Bundesliga geworden war. Zweimal in den vergangenen drei Spielzeiten hatte Juve den BVB im UEFA-Cup eliminiert. Nun waren beide Vereine gleichzeitig in die Champions League eingezogen, um umgehend das ungleiche Duell fortzusetzen.

Die größte Unwägbarkeit bei ihrem dritten Gastspiel in Westfalen war für die Turiner die Streikfreude der eigenen Landsleute. Wegen unregelmäßigen Flugbetriebs reiste der Juve-Troß vorsichtshalber schon zwei Tage vor dem Spiel an. Die größte Unannehmlichkeit am Abend der Begegnung war hundsmiserables Wetter. Unter hartnäckigem Dauerregen litten die Spieler auf dem Feld sowie die Besucher auf den teuren, respektive wichtigen Plätzen. Denn weil die aufstrebenden Dortmunder ihre Haupttribüne zu einem Doppelstöcker umbauen wollen, haben sie sie zunächst einmal entdacht. Auf der Baustelle versammelten sich — grob geteilt — zwei Fraktionen: hier modisch bemäntelte und daher vor sich hintriefende Italiener; dort Einheimische, die sich vorzugsweise mit quietschgelben Regencapes schützen, auf deren Rücken über einer Stadionskizze zu lesen steht: „Mein Zuhause – BVB 09“. An der Spitze dieser Vorschulklassen- Seligkeit: der Präsident.

Nach der 1:3-Niederlage stand Gerd Niebaum da wie ein begossener Pudel und sprach seine Wertung in Mikrofone beziehungsweise ließ sie von einem Mittelsmann verlesen. Letzteres wohl wegen der Bedeutung des Wettbewerbs. Es waren Pretiosen dabei, wie die Beobachtung, Juventus habe „den Ball laufen lassen, und wir haben versucht, selbst zu laufen.“ Ähnliches war für Juves Trainer schon vorher klar gewesen. Nicht, daß Marcello Lippi überheblich wäre, keinesfalls, nur eben „selbstbewußt“. Ein Sieg bei einem deutschen Meister ist Pflicht.

Es macht weder Lippi noch seiner Mannschaft etwas aus, daß in Dortmund kein Baggio (verkauft), Vialli, Ravanelli (beide gesperrt) oder Lombardo (verletzt) auflaufen konnte. Die Elf war auch so überlegen genug, die rutschend fehlpassenden BVBler gelassen zu bezwingen. Es reichte, daß Alessandro del Piero ab und an in Laune geriet, zwei Tore vorbereitete und einmal höchstselbst traf. In Begeisterung mußte Lippi deshalb nicht geraten. Mit einer Gelassenheit, die dem Gelangweiltsein sehr nahe kam, listete er nach der Sollerfüllung Fakten auf. Seine Mannschaft hatte auf das Dortmunder Führungstor in der allerersten Minute „gut reagiert“, nach dem Ausgleich „das Spiel kontrolliert“ und spätestens nach dem 1:3 durch Antonio Conte „keinerlei Probleme mehr“. Weshalb das Spiel der Turiner auch nicht berauschend, sondern einfach effizient zu nennen ist.

„Kontinuität im Aufbau“ seines Kaders nannte das Lippi. Den Dortmundern mit vier ausrangierten Turinern blieb da nicht viel zu sagen. Ottmar Hitzfeld erkannte „Zuordnungsfehler in der Abwehr“, was das Dreiergespann César-Sammer-Kohler insgesamt und den gerade von Juventus erworbenen Kohler im besonderen meinte. Der Trainer erkannte fußballweise, daß ein Spiel gewinnt, wer seine Chancen besser nutzt. Das hatte trotz bisweilen anfälliger Turiner Abwehr vor allem Heiko Herrlich („Ich habe total versagt“) zwei ausgezeichnete Male nicht vermocht.

Hitzfeld wußte zudem, daß die Gäste „spielerisch und technisch besser“ gewesen waren. Etwas, was auch Matthias Sammer aufgefallen war. Der litt sehr unter der Schlappe und war ungehalten, darüber auch noch sprechen zu müssen. Weshalb er Fragen nach den Ursachen des Dauerscheiterns gegen italienische Teams zunächst stoisch mit Schweigen und funkelnden Augen quittierte. Denn: „Da ist schon Resignation in der Fragestellung.“

Bedröppelt in die Schranken verwiesen, kehrt die Borussia in die kleine Welt der Bundesliga zurück, wo allerorten das sportliche Mittelmaß mit Meldungen von ökonomischem Booming genauso kaschiert wird, wie man es in den europäischen Wettbewerben dieser Woche unter Beweis gestellt hat. Das hiesige Spielergemüt aber weiß, wie mit Niederlagen umzugehen ist. Man müsse, fordert Sammer, „versuchen zu vergessen“.

Juventus Turin: Peruzzi - Torricelli, Ferrara, Porrini, Pessotto - Di Livio, Sousa, Conte (86. Marocchi), Jugovic - Padovano, Del Piero (90. Deschamps)

Schiedsrichter: Röthlisberger (Schweiz)

Zuschauer: 35.800 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Möller (1.), 1:1 Padovano (12.), 1:2 Del Piero (37.), 1:3 Conte (69.)

Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Kohler, César - Reuter, Zorc (46. Sosa), Möller, Freund, Reinhardt - Tretschok (46. Tanko), Herrlich (73. Ricken)