Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main ist fast alles öko: Die Hersteller haben die schlimmsten umweltverpestenden Boliden mit Natur umzingelt. Die Limousine wird zum Luftkurort, der alles gesund macht. Mit dem

Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/Main ist fast alles öko: Die Hersteller haben die schlimmsten umweltverpestenden Boliden mit Natur umzingelt. Die Limousine wird zum Luftkurort, der alles gesund macht. Mit dem Auto wird das Radfahren und Wandern erst richtig zum Erlebnis. Die Glücksbotschaft lautet: Mit dem Benziner zur Andacht in die Natur.

Hybridzüchtungen ohne Brutpflege

Was nur haben Eier mit Autos zu tun? Allenthalben drehen die sich auf den Plattformen der 56. Internationalen Automobilausstellung (IAA) auf dem Frankfurter Messegelände. Sie sind knallbunt, manchmal ist das stumpfe, manchmal das spitze Ende das, was vorne sein soll. Im Zweifel erleichtern die Scheinwerfer die Orientierung. Einige sehen aus wie verdutzte Trabis, die von einer Luftpumpe zum runden Öko-Frosch aufgeblasen wurden.

Das Ei, lehrt das Lexikon, „enthält die wesentl. Anlagen für die Entwicklung eines Organismus“. Es folgen jede Menge unappetitliche Einzelheiten. Davon nur eine: „Die Eizahl ist am größten meist bei Tieren ohne Brutpflege. Bandwürmer und Spulwürmer erzeugen jährlich zw. 40 und 60 Millionen Eier.“ Die Automobilbranche erzeugt ihre vermutlich ebenfalls ohne Brutpflege. Sie sind aber wohl eher Hybridzüchtungen ohne eigenes Vermehrungspotential und tauchen seit einigen Jahren sporadisch zur IAA in kleinen Schwärmen auf.

Die angewandte Eierkunde (Oologie) weiß, daß das Ei in der Mythologie sowohl für Fruchtbarkeit wie Totenkult steht. Diese schöne Symbolik muß den Designern der diversen Öko-Autos mit Drei-Liter-Motor ein Anreiz gewesen sein, die Spar-Minis eimäßig häßlich zu stylen. Fahren will sie eigentlich kaum jemand, klagen die Hersteller Umweltbewußtsein ein. Herstellen auch nicht, spottet ein Einkäufer bei Opel zurück und blickt ganz mitleidig auf MAXX concept car – Verkaufsziel, bei vorerst 35.000 Bestellungen, 400.000 bis 1996 – und Corsa ECO 3.

Fast alles ist öko auf der IAA. Die Hersteller haben ihre Modelle regelrecht mit Natur umzingelt. Auf den Dachgepäckträgern werden die Utensilien des mobilen Freizeitmenschen mitgeführt: Kanus, Boote, Fahrräder. Ford-Fähnchen flattern auf den Gepäckträgern der firmeneigenen Fahrräder für radelnde Messebesucher. Alles was sich fortbewegt und nicht stinkt ist Werbeträger: Kinderwagen, venezianische Gondeln, Rollerskates, einsame Pferde in menschenleeren Landschaften.

„Don't Dream It, Drive It“

Die Aussteller scheinen ihre Dekorationen draußen im Outback eingesammelt zu haben. Naturmaterialien heißt so etwas und trägt sonst, zum Beispiel qua Verordnung auf Friedhöfen, plastikfrei und strohtrocken zum Umweltschutz bei. Zudem rieseln Bächlein und Wasserfälle, türmen sich kantige Bruchsteine, Basaltstelen, Reisigbündel, wächst Bambus an Beton.

Daß die Konkurrenz hart ist, erahnt sich bei Saab und Porsche. Die einen haben ihr Gefährt in eine wilde Steilwandschräglage gezwungen, die anderen stellten ihr Modell im Gegenzug in Sichtweite senkrecht himmelwärts auf die Hinterräder. Nur so selbstbewußte Produzenten wie Alfa Romeo und Ferrari präsentieren ihre Ware als Auto pur, ohne Öko-Schnickschnack und Omnipotenz. Jaguar allerdings tanzt aus dieser Reihe und verteilt Jute-Taschen an leptosome junge Männer im falschen Outfit – Billigturnschuhe und weiße Socken –, die, „Don't Dream It, Drive It“, garantiert unfähig sind, sich das schneeweiße Grundmodell XJS 4.0 für 133.600 Mark vom Munde abzusparen.

Einen wirklich befriedigenden Beruf haben die Wagentester. Sie ließen rechtzeitig zur IAA drei ausgewählte Kleinwagen gegen Hindernisse krachen. Fiat Punto, Ford Fiesta und Opel Corsa knautschten die Extremitäten der Testpuppen lebensgefährlich – „Stiftung Warentest“ forderte Warnschilder am Armaturenbrett.

Drei-Liter-Autos werden, so sagten es Automobilhersteller vor der IAA zum ersten Mal deutlich, auch in Zukunft eher ungelegte Eier bleiben. Wendelin Wiedeking verlangte in der Diskussion darüber „mehr Ehrlichkeit“. VW- Chef Piäch sagte, es sei „gar nicht nötig, so viel über das Drei-Liter- Auto zu reden“. Und BMW-Kollege Reitzle warnte vor „einseitiger Fixierung“. MessebesucherInnen mit Ruhebedürfnis finden in der Oldtimer-Schau in Halle 1 einen Messerschmitt-Kabinenroller, Baujahr 1935, 20 PS, 75 km/h, und, noch besser, den Kasten-Opel „Laubfrosch“, gebaut 1928, 2,5 PS, 60 km/h. Heide Platen