Lehrer nicht benoten

■ GEW und SchülerInnenkammer planen gemeinsames Unterrichts-Projekt

Unterricht soll keine Einbahnstraße mehr sein. „Auf dem Papier ist das lange klar, aber umgesetzt ist es nur vereinzelt“, sagt Professor Johannes Bastian, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hamburg. Aber irgendwann soll es tatsächlich überall Unterricht geben, der Lehrer wie Schüler glücklich und schlau macht.

Ein erster Schritt soll ein gemeinsames Projekt von SchülerInnenkammer und Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) sein. Es heißt „Rückmeldung über Unterricht“, dauert zwei Jahre und wird wissenschaftlich von Bastian und seinem Kollegen Professor Arno Combe begleitet. Die Kosten von 48.000 Mark übernimmt die Stiftung der GEW.

Schüler sollen Lehrern regelmäßig rückmelden, wie sie ihren Unterricht finden. Dadurch sollen beide Seiten ins Gespräch kommen, einander verstehen lernen und Wege finden, den Unterricht effektiver und angenehmer zu machen. „Es geht nicht darum, dass Schüler Lehrern schlechte Noten geben, sondern um einen gemeinsamen Prozess“, sagt Julia Liedtke, Vorsitzende der SchülerInnenkammer.

Auch Anna Ammonn von der GEW besteht darauf: „Der Titel ist bewusst nicht ,Schüler beurteilen Lehrer', sondern ,Rückmeldung über Unterricht'.“ Denn Lehrer, die Zensuren bekommen, das wäre nur ein Rollentausch. Überhaupt sei das Thema sensibel. Eines, bei dem Lehrer Angst bekommen könnten.

Brauchen sie aber nicht, denn statt Noten gibt es Dialog, „einen Beitrag zur Weiterentwicklung demokratischer Schulkultur“, sagt Ammonn. Wie auch immer: Schüler werden ihren Lehrern sagen können, wenn sie ihre Tafelbilder ewig unbegreiflich finden, oder dass sie etwas nicht dadurch verstehen, dass der Lehrer es zehnmal mit den gleichen Worten erklärt.

Auf die Ausschreibung von GEW und Kammer können sich interessierte Schüler und Lehrer melden. „Wir denken an vier bis fünf Schulen“, sagt Ilona Wilhelm, GEW-Pressesprecherin. Dann würde das genaue Vorgehen erarbeitet. „Wir werden den Dialog beobachten“, sagt Wissenschaftler Bastian. Stellen die Jugendlichen am Ende fest, dass viel geredet, aber nichts geändert wurde, „hat die Feedbacckultur versagt“. Sagen sie aber, dass sie besser lernen, sei der Versuch gelungen. Sandra Wilsdorf