Straftat: ungeklärte Identität

■ Ihm wird nicht geglaubt, daß er aus Togo stammt. Gericht verhängt einjährige Abschiebungshaft für einen sechzehnjährigen Jugendlichen

Berlin (taz) – Weil die Behörden ihm nicht glauben, daß er togoischer Staatsbürger ist, soll ein sechzehnjähriger Asylbewerber, der schon seit einem halben Jahr in Abschiebungshaft sitzt, weitere 12 Monate hinter Gittern bleiben. Zur „Sicherung der Abschiebung“ verfügte jetzt das Amtsgericht Goslar eine Verlängerung der Haft bis zu einem ganzen Jahr. Nach Erfahrung des niedersächsischen Flüchtlingsrates, der den Fall jetzt öffentlich machte, ist dies ein bisher einmaliges Vorgehen der Gerichte.

Y. war allein nach Deutschland gekommen und hatte hier Asyl beantragt. Das Asylbundesamt hatte keinen Zweifel daran, daß Y. aus Togo stammt. Eine politische Verfolgung des Jugendlichen sahen die Entscheider jedoch nicht gegeben. Als sein Antrag abgelehnt wurde, legte Y. in Unkenntnis der deutschen Gesetze dagegen keinen rechtlichen Widerspruch ein. Obwohl der Sechzehnjährige nichts verbrochen hat und in Deutschland nie straffällig geworden ist, sitzt er jetzt schon seit einem halben Jahr im Jugendgefängnis Hameln. Nachdem die Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen war, beantragte die Ausländerbehörde Goslar Abschiebungshaft gegen ihn, die das Amtsgericht gleich für sechs Monate verhängte. Begründung: Y. habe eine falsche Staatsangehörigkeit angegeben. Die Ermittlungen hätten ergeben, er stamme gar nicht aus Togo.

Nachdem Y. persönlich bei der Botschaft Togos vorgeführt wurde, um seine Identität festzustellen, hatte die Botschaft seine Aussagen angezweifelt und sich geweigert, einen Paß auszustellen. Y. beharrt darauf, daß er Staatsbürger Togos sei, allerdings habe er während seiner Kindheit lange Zeit mit seinen Eltern in Liberia gelebt.

In den sechs Monaten, die Y. schon in Abschiebungshaft verbracht hat, gelang es der Ausländerbehörde nicht zu klären, aus welchem afrikanischen Land der junge Mann denn sonst stammen könne und wohin man ihn eigentlich abschieben will. Spätestens nach sechs Monaten hätte Y. freigelassen werden müssen, doch unter Berufung auf eine Ausnahmeklausel im Ausländergesetz verfügte das Amtsgericht Goslar jetzt eine Sicherungshaft von einem Jahr, den längsten nach dem Gesetz überhaupt möglichen Zeitraum. Die Ausländerbehörde benötige „erfahrungsgemäß mehrere Monate“, um die Paßpapiere für Betroffene zu besorgen, die „ihre Staatsbürgerschaft verschweigen“.

Doch Y. hat seine Staatsbürgerschaft nicht verschwiegen, sie wird ihm nur nicht geglaubt. Bei seinem Haftprüfungstermin hat der Sechzehnjährige schriftlich versichert, er würde freiwillig nach Togo ausreisen, wenn es gelänge, die entsprechenden Papiere zu besorgen. Bei einer zwangsweisen Abschiebung fürchtet er hingegen, in seinem Heimatstaat getötet zu werden. Eine Sorge, die auch niedersächsische Verwaltungsgerichte teilen. So urteilte das Verwaltungsgericht Braunschweig in mehreren Verfahren, „daß für jeden Togoer derzeit bei einer Rückkehr die Gefahr besteht, getötet oder verletzt zu werden“, und das Verwaltungsgericht Hannover kommt zu der Erkenntnis, daß allein aufgrund der Asylantragstellung in Deutschland „eine beachtliche Wahrscheinlichkeit“ einer politischen Verfolgung in Togo bestehe. Vera Gaserow