Aktuell lebhafter Einstieg in den Ausstieg

■ Hamburgs Grüne müssen auf Parteitag nun doch Atom-Grundsatzdiskussion führen

Der Antrag kommt kurzfristig, der Ausstieg dauert etwas länger. Mit einem „aus aktuellen Gründen“ nachgereichten Tagesordnungspunkt „Atompolitik“ soll sich die Landesmitgliederversammlung (LMV) der Hamburger Grünen am übernächsten Sonnabend beschäftigen. Bislang standen vornehmlich Nachwahlen für diverse Gremien auf der Tagesordnung der LMV; nun aber, vermutet ein prominenter GALier, „wird es bestimmt lebhafter werden“. Denn grundsätzlich zu klären ist die Frage, ob Hamburgs Grüne in den Ausstiegs-Kurs der Bundespartei einsteigen oder nicht.

Die beiden GAL-ParteichefInnen Kordula Leites und Peter Schaar haben dies Anfang dieser Woche bei Gesprächen in Berlin mit dem Bundesvorstand und den Bundesministern bereits signalisiert. 30 Jahre Gesamtlaufzeit für Atomreaktoren plus eine etwa dreijährige Stilllegungsfrist halten beide übereinstimmend „für keine tolle Lösung, aber auch nicht für unannehmbar“. Die von den Atomkonzernen geforderten 35 Jahre oder mehr, auch darin sind die linke Leites und der Realo Schaar einig, seien hingegen „nicht akzeptabel“, kürzere Laufzeiten von etwa 25 Jahren „natürlich wünschenswert“.

Vordringlich sei es, so Leites, das Ausstiegsgesetz „politisch machbar und juristisch unangreifbar“ zu gestalten. Jahreszahlen seien dabei sekundär. Auch Schaar meint, zuerst müsse „eine verlässliche und glaubwürdige Auslaufstrategie entwickelt werden“, um noch in dieser Legislaturperiode erste Reaktoren vom Netz zu nehmen. Dann würde die Bundestagswahl im Herbst 2002 „zu einer Volksabstimmung über die Atomkraft“.

In der Hansestadt wird bereits ein Jahr zuvor gewählt. Für die GAL, will sie vor den WählerInnen bestehen, ist bis dahin ein Ausstiegs-Erfolg Pflicht. Im Hamburger Koalitionsvertrag wurde eine „Stilllegung von Kernkraftwerkskapazitäten bis zum Jahr 2002/2003“ festgeschrieben. „Das können wir erreichen“, weist Leites gegenteilige Vermutungen zurück. Die dreijährige Stilllegungsfrist beginne spätestens mit Inkrafttreten des Bundes-Atomausstiegsgesetzes Anfang nächsten Jahres. Folglich könne zum Jahresbeginn 2003 das AKW Stade vom Netz genommen werden. Der 27 Jahre alte Reaktor habe dann die ominösen drei Jahrzehnte erreicht.

Ob die Basis dieser Linie ihrer Partei-Führung auf der LMV am 11. Dezember in der Handwerkskammer folgen wird, ist noch völlig offen. Der entsprechende Leitantrag werde „ganz kurzfristig formuliert“ werden müssen, sagt Leites: „Auf Bundesebene gibt es ja fast täglich was Neues in Sachen Ausstieg.“ Sven-Michael Veit