■ Streit um den richtigen Streit gegen französische Atomtests
: Was ist an Protest so schlimm?

Ein Boykott gegen Frankreich bringt nichts?! Vielleicht ist er, wie der CDU-Politiker Friedbert Pflüger in Harmonie mit dem Grünen-Sprecher Jürgen Trittin fürchtet, „gefährlich“, höchst „töricht“ gar. Der Boykott, ganz klar, ist eine schwierige Sache – und das schon auf einer ganz simplen Ebene: Lege ich als Peugeot-Fahrer sofort mein Auto still?

Das zentrale Argument der Boykottgegner hat durchaus Schlagkraft – die deutsche Vergangenheit. Andererseits: Hindert diese Vergangenheit die Bundesregierung, Soldaten nach Jugoslawien zu schicken? Wenn es ums Imperiale geht, ist schnell von Entkrampfung und Normalisierung die Rede.

Aber können Deutsche so etwas fordern: „Kauft nicht von Franzosen“? Eine akademische Frage, denn der Boykottaufruf ist keine deutsche Erfindung. Die Regierung von Neuseeland will ihn, die tahitianische ebenso.

Die Atomversuche setzen Emotionen frei. Was ist dagegen das Versenken einer Bohrinsel im Atlantik? Allenfalls ein laues Fürzchen im Kosmos. Und so empfinden es die Menschen auch hier – das zeigen die Reaktionen auf die taz-Frage „Was tun?“.

Die Leute fühlen sich verschaukelt: Der Kalte Krieg ist vorbei, der Russ' ist weg, mit dem bisher jeder militärische Wahnsinn begründet wurde. Was also sollen die atomaren Explosionen? Vielleicht hat Chirac ja die Reaktionen auf sein koloniales Gebaren unterschätzt. Recht geschieht ihm. Es ist wie bei der Brent Spar: Ein Mega-Unsinn soll durchgezogen werden – kühl und kalt und rüde. Deshalb die Bereitschaft, etwas zu tun. Irgend etwas zu tun: auf Botschaften zu klettern, das Bresse-Huhn vergammeln zu lassen, die Gitanes auszudrücken.

Aber, sagen die Politiker mahnend, Frankreich ist nicht Brent Spar. Frankreich, sagen sie, ist keine Firma. Ach ja. Und noch etwas, sagen sie, die Regierung Chirac ist demokratisch gewählt, überhaupt ist das Land ein guter Freund – und darauf müsse man doch Rücksicht nehmen. Aber, mit Verlaub, wie sieht es mit der Bevölkerung in Polynesien aus? Das sind, nicht wahr, halt so Eingeborene mit ein paar bunten Röckchen, die dekorativ wippen.

Bitte keinen Boykott, sagen Politiker von Grün bis Schwarz. Wollen mal so fragen: Was schadet es, so aktiv zu werden? Guten Freunden, meint taz-Leser Hürnliman, muß man „manchmal in den Hintern treten. Echte Freundschaften halten das aus.“ Das ist ja die leise Hoffnung: daß demokratische Regierungen auf die öffentliche Meinung Rücksicht nehmen müssen. Oder wird jetzt in Frage gestellt, womit APO und AtomgegnerInnen Druck machten? Ist ihr Platz jetzt auf der Empore des Parlaments, um von dort aus ab und an zu rufen: „Hört, hört ...“? Arno Luik