Kippt Ozonkompromiß doch noch?

■ Bei Probeabstimmung waren Niedersachsen und Thüringen für den wachsweichen Kompromiß / Jetzt erneute Debatte in Erfurt / Fünf große Umweltverbände verlangen, das Gesetz abzulehnen

Berlin (taz) – Bei Probeabstimmungen am Mittwochabend hatte das windelweiche Ozongesetz der Bundesregierung noch die Mehrheit, doch gestern stand der Kompromiß dann doch noch auf der Kippe. Mehrere Landesregierungen diskutierten erneut, ob sie dem Kompromiß, der auf Tempolimit zur Begrenzung des Sommersmogs verzichtet und Fahrverbote für Autos ohne Katalysator erst bei einer Belastung von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft vorsieht, zustimmen könnten. Vor allem im von einer großen Koalition regierten Thüringen stand die Zustimmung wieder zur Debatte.

Die Kritik an dem Entwurf hatte in den vergangenen Tagen noch einmal heftig zugenommen. Die Vorsitzenden der fünf großen Umweltverbände DNR, BUND, WWF, VCD und NABU erklärten, das Gesetz täusche Handeln nur vor und müsse daher abgelehnt werden. Der Gesetzgeber verabschiede sich mit dem vorliegenden Entwurf „von der Vorsorgepflicht des Staates für das gesundheitliche Wohl der Bürger“. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger hatten dem Bundesrat ihren Unmut über die geplante Regelung zugefaxt. Die nordrhein-westfälische Landesregierung, bei der als Bundesratsvorsitz die Proteste landeten, sagte gestern, das Gesetz bestehe aus „Halbheiten und faulen Kompromissen“.

Nach dem Ozongesetz sollen Fahrverbote erst erlassen werden, wenn gesundheitsschädliche Werte der Ozonbelastung an mehreren Meßstellen schon erreicht sind. Lediglich in den Stadtstaaten und im Saarland reicht die Überschreitung des Grenzwertes an einer Meßstelle aus, um Fahrverbote auszusprechen. Kritik hatte es auch an den neuen, von der Europäischen Union vorgegebenen Meßverfahren gegeben. Wenn nach dem neuen Meßverfahren eine Belastung von 240 Mikrogramm erreicht ist, wären nach dem alten Verfahren bereits 287 Mikrogramm erreicht, so der SPD- Politiker Michael Müller.

Müllers Partei tut sich besonders schwer mit dem Ozonkompromiß. Die niedersächsische Ministerpräsident, VW-Aufsichtsrat und Tempolimit-Gegner Gerhardt Schröder hatte seine Landesregierung am Dienstag auf Zustimmung für den Entwurf ohne Tempolimit getrimmt.

Die schwarz-rote Koalition in Erfurt war dagegen gestern wieder unentschieden. „Meine Regierung brütet noch“, so der Sprecher der thüringischen Landesvertretung in Bonn, Jo Dietzen. Die Regierung in Erfurt tue sich schwer mit dem Kompromiß, dies umso mehr als Kultusminister Dieter Althaus (CDU) morgen mit dem elektrogetriebenen Hotzenblitz aus Thüringer Produktion bei der Abstimmung vorfahren will. Hermann-Josef Tenhagen