Grenzenloses Lauschen gestoppt

Das Bundesverfassungsgericht unterbindet die uferlose Abhörpraxis des BND. Die Auswertung des internationalen Fernmeldeverkehrs ist nur bei begründetem Tatverdacht zulässig  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Das Bundesverfassungsgericht hat gestern den grenzenlosen Lauschereien des Bundesnachrichtendienstes (BND) einen Riegel vorgeschoben. Per einstweiliger Verfügung ordnete das Karlsruher Gericht an, daß die beim Abhören von Auslandstelefonaten gespeicherten Daten bis auf weiteres nur bei einem begründeten Verdacht auf eine Straftat verwertet und weitergegeben werden dürfen. Damit hatte der Antrag des Hamburger Rechtsprofessors Michael Köhler Erfolg, der durch die de facto unbegrenzte Abhörbefugnis des BND das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sah.

Zur Begründung führten die Verfassungsrichter in ihrer schriftlichen Entscheidung an, Störungen im „Kommunikationsverhalten der Bürger“ wären unausweichlich, wenn sie befürchten müßten, daß die Ergebnisse des Abhörens auch ohne hinreichenden Tatverdacht verwertet werden dürfen. Mit dem am 1. Dezember 1994 in Kraft getretenen Verbrechensbekämpfungsgesetz waren die BND- Befugnisse zur internationalen Telefonüberwachung extrem erweitert worden. Im Rahmen der sogenannten „elektronischen Fernmeldeaufklärung“ darf der BND neben dem Fernmeldeverkehr im Ausland auch Telefonate von und in die Bundesrepublik ohne konkreten Verdacht überwachen. Damit sollten Planung oder Begehung bestimmter Straftaten – wie etwa die Beteiligung deutscher Firmen an illegalen Rüstungsgeschäften – aufdeckt werden. Nach der Einschätzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Joachim Jacob, werden täglich mehr als 100.000 Auslandskorrespondenzen überwacht und etwa 4.000 Gespräche einschließlich der Verbindungsdaten aufgezeichnet.

Das Bundesverfassungsgericht hielt es wegen der „hochrangigen Rechtsgüter der äußeren und inneren Sicherheit“ aber nicht für gerechtfertigt, die Lauschermächtigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache völlig außer Vollzug zu setzen. Durch die einstweilige Anordnung bleiben die Überwachungsbefugnisse des BND unberührt, nur ihre Auswertung und Weitergabe in individualisierbarer Form bedürfen jetzt eines „hinreichenden Tatverdachts“.

Die Humanistische Union, die seit langem gegen den „elektronischen Staubsauger“ BND vehement zu Felde zieht, zeigte sich gestern wie die Datenschutzbeauftragten aus Bund und Ländern zufrieden. Die stellvertretende Datenschutzbeauftragte in Berlin, Claudia Schmid, hofft nun, daß das Bundesverfassungsgericht die Lauschpraxis des BND auch in der Hauptverhandlung „für verfassungswidrig erklären wird“.