Wir müssen nur ehrlicher sein“

■ Die Skepsis der VerbraucherInnen gegenüber genmanipulierten Lebensmitteln werde allmählich nachlassen, glaubt Gerhard Prante, Chef des Pflanzenbiotechnologie-Unternehmens Agrevo

taz: Das Geschäft mit gentechnisch manipuliertem Saatgut läuft nicht. Wie fühlt man sich, wenn man jahrelang in eine Sackgasse investiert hat?

Gerhard Prante: Erstens steckt Agrevo nicht in der Sackgasse, und zweitens geht es mir blendend. Drittens läuft gentechnisch verbessertes Saatgut je nach Kulturart gut oder weniger gut.

Die Bauern in den USA wollen Ihr Saatgut nicht kaufen.

Das kann ich so nicht bestätigen. Tatsache ist, dass die Anbauflächen gentechnisch verbesserter Nutzpflanzen in den USA in diesem Jahr um 40 Prozent zugenommen haben auf rund 28 Millionen Hektar. Das ist die höchste Wachstumsrate einer neu eingeführten Technologie in der Geschichte der Landwirtschaft. In vielen Ländern hat man erkannt: Wenn die 1992 in Rio de Janeiro postulierte nachhaltige Entwicklung Wirklichkeit werden soll, muss auch die Landwirtschaft etwas tun. Ohne Gentechnologie geht das nicht.

Wie kann gentechnologisch verändertes Saatgut mehr Nachhaltigkeit bewirken?

Die Bevölkerung auf dieser Erde wächst schnell. Deshalb muss ich mehr Ertrag auf der gleichen Fläche erwirtschaften, wenn ich nicht immer größere Gebiete nutzbar machen kann. Heute aber wissen wir, dass die Anbautechnologien an ihre Grenzen stoßen. Von Europa und den USA einmal abgesehen, sind die Ertragssteigerungen deutlich abgeflacht. Und das kann sich die Landwirtschaft in den nächsten 25 Jahren überhaupt nicht leisten. Außerdem schont eine Landwirtschaft, die zum Beispiel eine insektenresistente Baumwollsorte anbaut, Ressourcen. Das ist nachhaltige Entwicklung gemäß Biogenetik in der praktischen Anwendung.

Gentechnologie und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft schließen sich Ihrer Ansicht nach nicht aus?

Ökologie ernährt Menschen und Tiere nicht. Unsere Verantwortung ist erst einmal, den armen Menschen dort, wo der Hunger am größten ist, den Anbau ertragreicherer Pflanzen zu ermöglichen. Es hat ja keinen Sinn, dass wir in Europa anbauen und nach Simbabwe exportieren.

Wie bewerten Sie das ökologische Risiko, dass genmanipulierte Pflanzen dazu beitragen, die biologische Vielfalt zu reduzieren?

Natürlich haben wir die Verpflichtung, die möglichen Nebenwirkungen zu erforschen. Unerwünscht wäre es zum Beispiel, wenn von uns in eine Nutzpflanze eingeführte Gene durch Auskreuzung die Vitalität von Wildpflanzen erhöhen und die dann alles andere in dem jeweiligen Biotop verdrängen. Aber darauf gibt es bis zum heutigen Tage nicht einen einzigen Hinweis. Deshalb fühlen wir uns berechtigt, weiterzumachen.

Trotzdem erfreuen sich Ihre Produkte bei denVerbraucherInnen keiner großen Akzeptanz.

Es ist uns bislang nicht gelungen rüberzubringen, dass unsere Produkte einen ökologischen Nutzen haben. Das ist aber auch ein schwieriges Problem: Der Verbraucher bekommt ja keinen direkt erkennbaren Nutzen, wenn er Rapsöl kauft, das mittels unseres Saatgutes hergestellt wurde. Die ökologische Verbesserung muss man ihm mühsam erklären.

Wie wollen Sie das tun?

Wir müssen dem Verbraucher deutlicher als bisher auch die ökologischen Vorteile dieser Produkte vermitteln: Ein umweltbewusster Verbraucher muss doch geradezu nach gentechnisch verbesserten Pflanzen rufen, die beispielsweise den Einsatz von chemischen Spritzmitteln verringern. Deutlicher als bisher müssen wir den mittel- bis langfristigen direkten Nutzen dieser Technologie hervorheben: Gesundheitsfördernde Nahrungsmittel mit einem höheren Vitamingehalt, einem höherem Gehalt an ungesättigten Fettsäuren und ähnliche Eigenschaften werden in wenigen Jahren aus den Regalen nicht mehr wegzudenken sein.

Die großen Handelsketten haben allerdings erklärt, dass sie Produkte mit gentechnisch veränderte Substanzen nicht anbieten wollen.

Das stimmt nicht. Die Handelsketten vertreiben jede Menge Produkte mit Zusatzstoffen, die mit Hilfe der Gentechnik hergestellt wurden. Denken Sie nur an die Enzyme. 98 Prozent aller heute eingesetzten Enzyme werden mit Gentechnik hergestellt. Die Handelsketten wehren sich nicht gegen Gentechnik, sondern reagieren opportunistisch auf den Druck der Gegner dieser Technologie.

Sagen die Ketten nicht schlicht, dass sie Gentech-Produkte nicht in ihren Regalen haben wollen?

Nein, sie nehmen nur diejenigen Lebensmittel aus dem Sortiment, die derzeit kennzeichnungspflichtig sind. Ansonsten versuchen sie, eine weiter gehende Kennzeichnungspflicht auf europäischer Ebene zu erschweren.

Sie schieben die Verantwortung ab. Die Handelsketten haben Angst vor den VerbraucherInnen, die Ihre Produkte nicht kaufen wollen. Wie gehen Sie damit um?

Das stimmt nicht. Entsprechende Produkte sind schon sehr viel länger bei uns allen auf dem Tisch.

Weil es den VerbraucherInnen nicht gesagt worden ist.

Richtig. Wir müssen heute nur ehrlicher mit der Diskussion sein. Ich war immer ein Befürworter der Kennzeichnungspflicht.

Selbst die Deutsche Bank in den USA empfiehlt den AnlegerInnen, keine Aktien von Unternehmen aus dem Bereich der grünen Gentechnik zu kaufen.

Der Bankmensch, der diese Analyse verfasst hat, hat nichts von den Grundlagen der Biologie verstanden, geschweige denn von der Mikrobiologie oder der Gentechnologie. Wir halten unseren Unternehmenswert weiterhin für attraktiv für die Aktionäre. Wenn wir nicht in die biologische Forschung investieren, kann die Landwirtschaft in zehn Jahren nicht mehr die richtigen Produkte bereitstellen. Wir bereiten Produkte vor, die mehr Vitamine enthalten und damit gesundheitsfördernd wirken. Diese Vorteile werden den Verbrauchern nicht verborgen bleiben.

Sie sind sicher, dass die VerbraucherInnen grüne Gentechnik irgendwann akzeptieren?

Unbedingt. Wer spricht heute denn noch über die angeblichen Gefahren gentechnisch hergestellter Medikamente? Arzneimittel, die helfen, werden doch längst nicht mehr verteufelt wie noch in den 80er Jahren. Interview:
Wolfgang Löhr, Hannes Koch