Tarif gerettet, Lohnverzicht auch

Eine „Rahmenvereinbarung“ soll den Arbeitnehmerbeitrag zur Sanierung sichern. Die IG BAU gibt ihren Widerstand auf. Die Konkurrenz fordert nun generelle Öffnungsklauseln  ■   Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Ob das funktioniert? Die Beschäftigten der Holzmann AG wollen ihren Beitrag zur Sanierung des Unternehmens in Höhe von 245 Millionen Mark jetzt „gesplittet“ aufbringen. Einen Teil dazu soll der Abschluss einer „Rahmenvereinbarung“ zum Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber, der Holzmann AG oder einer ihrer Tochterfirmen, und jedem einzelnen Arbeitnehmer, erbringen, die die seit der Einigung mit den zunächst sanierungsunwilligen Banken bekannten Konditionen enthält: Lohnverzicht von sechs Prozent und vier unbezahlte Überstunden pro Woche. Arbeitnehmer, die das nicht unterschreiben wollen, können „freiwillig“ auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld verzichten.

Eine „Rahmenvereinbarung“ sei „keine Betriebsvereinbarung und kein Haustarif“, sagte der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Mahneke gestern nach dem Verhandlungsmarathon mit dem Vorstand. Der Flächentarifvertrag werde damit also nicht unterlaufen.

Am Mittwoch hatte der stellvertretende Vorsitzende der IG Bau und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Holzmannn AG, Ernst-Ludwig Laux, die „Freunde im Betriebsrat“ davor gewarnt, einen „Hausvertrag unterhalb des Flächentarifvertrages“ zu den genannten Konditionen abzuschließen. Das werde die Gewerkschaft „nicht hinnehmen“. Der so düpierte Betriebsratsboss Mahneke, der befürchtete, dass die Sanierung der Holzmann AG ausgerechnet am Widerstand der Gewerkschaft scheitern könnte, wies die Kritik zurück: „Die IG Bau soll sich zurückhalten.“

Mit dem neuen Konstrukt scheint Laux jetzt allerdings zufrieden zu sein. Die Betriebsräte hätten nun die Möglichkeit erhalten, mit „variablen Regelungsmechanismen zu arbeiten“. Damit sei der im Sanierungskonzept noch vorgesehene Haustarifvertrag vom Tisch, sagte Laux im Deutschlandradio. Auch Klaus Wiesehügel, Bundesvorsitzender der IG Bau, erklärte, er begrüßt den Beitrag der Arbeitnehmer zur Rettung der Holzmann AG. Nun kann man in der Gewerkschaft zwar befürchten, dass das Beispiel Holzmann Schule macht, aber klagen muss die IG BAU zumindest nicht gegen den Kompromiss. Nur eine Konzernsprecherin räumte gestern ein, dass die gefundene Regelung noch immer eine „Gratwanderung“ sei.

Allerdings könnte die zuschauende und maulende Konkurrenz nun versucht sein, juristisch gegen das Sanierungspaket der Holzmänner vorzugehen. Schon verlangt der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie auch für Westdeutschland „Öffnungsklauseln“ im Flächentarifvertrag, falls die IG BAU der Lösung tatsächlich endgültig zustimmen sollte.

Mahneke hat dafür Verständnis geäußert. Eine „Öffnungsklausel“ will der Betriebsratsvorsitzende auch realisiert sehen: „Den Lohnverzicht zur Rettung eines Betriebes.“ Rache an der IG Bau? Bei einem eventuellen „Preisdumping“ durch Holzmann vor dem Hintergrund der gesunkener Personalkosten, dürfte der Zoff im Lager der Arbeitgeber im Baugewerbe allerdings größer werden als der zwischen IG BAU und Betriebsrat. Die Holzmann AG hat sich gestern immerhin selbst darauf verpflichtete, den Lohnverzicht der Beschäftigten nicht „in wettbewerbsverzerrender Weise“ in die Preiskalkulationen einarbeiten zu wollen. Das glaubt ihr aber kein Konkurrent. Der Hauptgeschäftsführer beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, Michael Knipper, nannte die gesamte Sanierung bei Holzmann eine „schlimme Fehlentwicklung“. Ein Konzern würde gerettet, aber bei den „gesunden Wettbewerbern“ gingen wahrscheinlich viele Arbeitsplätze verloren. Immerhin seien inzwischen mehr Fälle bekannt geworden, bei denen Holzmann bereits abgegebene Angebote „um sechs Prozent nach unten korrigiert“ habe. Die Namen der Bauprojekte nannte Knipper nicht. Und Holzmann gab zu diesen Vorwürfen keine Stellungnahme ab.

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