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Frauen, verirrt im Anspielungsgestrüpp

■ Surreal: Anke Feuchtenbergers neuester Comicband „Mutterkuchen“

Die zersägte Jungfrau, Maria, Alice, Mutter – Frauenbilder bevölkern Anke Feuchtenbergers neuen Comic „Mutterkuchen“, der Geschichten aus den letzten Jahren versammelt. Aber in „Mutterkuchen“ ist nichts mehr, wie es war und angeblich sein sollte, denn Kinder gebären Mütter, Mütter überleben ihre Töchter, der Kosmos erscheint nicht mehr auf dem Mantel der Jungfrau Maria, sondern in ihrer kreisrund geöffneten Scheide. Feuchtenberger benutzt Versatzstücke aus der katholischen Ikonographie (Lilien und Engel), aus dem romantischen Lied, aus Märchen und Ratgeberliteratur, alles gewendet und absurd verdreht.

Dafür beschränkt sie ihre Themen: Mutter-Kind, der (archaische) Mann, Mann-Frau. Die Texte wirken dabei häufig wie ironische Kommentare des Gezeichneten, und die Schlußpointen sind manchmal etwas überstürzt: Sie erklären mehr als nötig, geradeso, als würde Feuchtenberger nicht an ihre LeserInnen glauben.

Aus ihren früheren Arbeiten ist uns schon der herzlose Mann bekannt. Leider verirren sich bei ihr nicht nur Mann und Frau in den Labyrinthen der Liebe, sondern es verirrt sich häufig auch Feuchtenberger im Gestrüpp ihrer Anspielungen. So etwa in der Geschichte „Die Geburt der Helvetia“ mit den Bildunterschriften: „Ein Stier war in Europa; Verschiebung, Faltung und Metamorphosen; Eiszeit; Selbstverwaltung“. Kein Brainstorming, eher ein Brainlüftchen zur Schweiz, genauer zu einer mythischen Geschichte derselben. Herausgekommen sind vereinzelte Einfälle, nicht zufällig ist auch jedes der dreieckigen „panels“ einzeln signiert.

Dabei ist Feuchtenberger zweifellos eine der sichersten und interessantesten Stilistinnen im Comicbereich. Das ornamentale Lettering, die kindlichen Körper, die extreme Unter- oder Obersicht, die surrealen Räume prägen eine eigene Formsprache, die ausdrucksstarke Einzelbilder erlaubt: Gesten von Verzweiflung und Vereinsamung, etwa in den Kauergesten oder im heimlichen Erbrechen.

In „Mutterkuchen“ bringt Feuchtenberger sich allerdings selbst um ihre Wirkung, da sie Bilder in verschiedenen Geschichten wiederholt (manchmal nach nur drei Seiten, wie die Frau mit dem rot-weißen Tor vor der Scheide). In einem Sketchbook mag das hingehen, bei einem Sammelband wirkt es unfertig und wahllos. Martin Zeyn

Anke Feuchtenberger: „Mutterkuchen“. Jochen Enterprises, Berlin 1995, 19,95 DM

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