: Heiner Müller allein zu Haus
■ Neues vom BE: Eva Mattes geht, Rolf Hochhuth praktisch aus dem Rennen
Alles ist eine Frage der Alternative. Während Rolf Hochhuth sich nichts sehnlicher wünscht, als Direktor des Berliner Ensembles zu werden, ist von dem ehemaligen Ost-West-Fünferdirektorium des Hauses mittlerweile nur noch Heiner Müller übriggeblieben. Eva Mattes verläßt jetzt ebenso die Runde wie ihr langjähriger Regisseur Peter Zadek.
Das war zu erwarten, wenn auch nicht schon drei Monate, nachdem sie angekündigt hatte, durchaus ohne ihn zu bleiben, im BE einen Salon für Nachwuchstalente einzurichten und sich auch sonst um alle Belange des Ensembles zu kümmern. Offenbar BE-müde geht sie im Herbst erst mal ans Burgtheater, um dort unter Zadek in einem Tschechow zu spielen, obwohl sie offiziell weiterhin BE-Schauspielerin bleibt.
Peter Palitzsch und Fritz Marquardt indessen lassen sich für die nächste Spielzeit lieber Beraterverträge geben als sich weiterhin als Direktoren eines Hauses abzumühen, das laut Müller seinen Platz zwischen der „Mittelstandsnostalgieverwaltung“ Deutsches Theater und dem „Szenetreff“ Volksbühne noch sucht. Auch ist ja die Akte Hochhuth nicht ganz vom Tisch – selbst wenn Heiner Müller diese ganze unappetitliche Angelegenheit am liebsten als „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Journalisten und Juristen“ betrachtet.
Nicht wenige Medien sahen Hochhuths Behauptung, das Theater kaufen zu können, bereits für eine Tatsache an, der Stern setzte den Dramatiker gar als Theaterdirektor groß ins Bild, mit Zylinder und goldbeknauftem Stock. Aber damit wird er sich nun allem Anschein nach doch nur zu Hause ausstaffieren können. Denn ganz abgesehen davon, daß dem Berliner Senat ja noch ein weiteres Bündel Restitutionsanträge vorliegt (der Anspruch der Alteigentümergruppen Saloschin und Wertheim also nicht eindeutig geklärt ist), haben es die Anwälte von John K. Wertheim und Hochhuth bislang nicht geschafft, auch nur ein kleines Stückchen Papier zu präsentieren, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, daß Hochhuths Ilse-Holzapfel-Stiftung tatsächlich ein Vorkaufsrecht für das Theater eingeräumt wurde.
Auch ist BE-Geschäftsführer Peter Sauerbaum mittlerweile davon überzeugt, daß die Stuttgarter Genehmigung der Stiftung rechtswidrig sei. Denn der Stiftungszweck (Schauspielbetrieb, Unterstützung jüdischer Waisenkinder sowie der Wertheim-Familie respektive der „Hochhuth-Familie“, wie Sauerbaum auf einer Pressekonferenz versehentlich sagte), könnte nicht aus dem Stiftungsvermögen bestritten werden. Allein der Theaterbetrieb muß derzeit mit 23 Millionen Mark subventioniert werden.
Und die Zweifel gehen noch weiter. Es soll nun sogar überprüft werden, ob John K. Wertheim aus New York überhaupt mit dem im Grundbuch als BE-Eigentümer seit 1938 eingetragenen Klaus Wertheim identisch ist. Eine entsprechende Täuschung ernsthaft anzunehmen, hieße allerdings, Hochhuths Phantasie zu schmeicheln.
Fakt ist, daß Heiner Müller nun das Brecht-Ensemble regiert, und das vermutlich bis Ende 1997. Davon, daß aus dem Ost-West-Projekt jetzt ein Ein-Mann-Ost-Betrieb geworden ist, will er jedoch nichts wissen. Während er den Weggang von Zadek im März noch als „eine Spiegelung des Einigungsprozesses“ gesehen hat, deklariert er das Auseinanderbrechen des Gremiums jetzt als „Familienkrach“ um.
Einen Schwiegersohn nach Maß holt er sich indes mit Einar Schleef. „Ein großes Brecht-Stück“ wird dieser als erstes inszenieren. Und ein „Faust III“ von Schleef ist ebenso geplant wie ein „Germania III“ (Arbeitstitel) von Müller selbst.
Hierbei handelt es sich um das vermeintliche „Hitler-Stalin“- Stück, von dem schon viel die Rede war. Die beiden treten aber bloß am Rande auf. Nach eigenen Angaben hat Müller den Titel bloß gewählt, „weil die Journalisten dann am schnellsten den Mund halten“. Petra Kohse
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