Mit Taschenlampe und Scout zum Einkauf

Nach der Sturmflut: Im Speicher am Fischmarkt herrscht Ausnahmezustand  ■ Von Elke Spanner

Das Licht einer Taschenlampe flackert zwischen den Betten hin und her. Ein Bett soll es zu Weihnachten aber offenbar nicht werden. Zielstrebig bahnt sich der Kunde mit seiner Notbeleuchtung den Weg zwischen den Gestellen in eine hintere Ecke. Was es dort gibt, ist nicht zu erkennen. Es ist stockdunkel im Speicher.

Der Weihnachtseinkauf in Lübkes stadtbekanntem „Speicher am Fischmarkt“ kommt heute der Schatzsuche in einer unterirdischen Höhle gleich – die Schnäppchen müssen mit Kerzen und Taschenlampe aufgestöbert werden. Seit dem Hochwasser von Freitagnacht ist die Stromversorgung im Haus zusammengebrochen. Samstag mussten die KundInnen noch abgewiesen werden. Nun ist die Tür wieder offen.

Der Eingangsbereich ist einladend mit Kerzen beleuchtet. Zwei Männer bleiben erst irritiert stehen, unschlüssig, ob sie soeben in eine private Weihnachtsfeier platzen. Eine Verkäuferin winkt sie herbei und drückt beiden eine Taschenlampe in die Hand. „Geil“, lacht der eine und stiefelt los. Auf einen Scout verzichtet er. Wer will, kann sich auch von VerkäuferInnen durch die Räume führen lassen.

Draußen vor dem Keller übertönt ein Honda-Motor jedes Gespräch. Die Stromversorgung für die Handwerker hängt zurzeit an dem Aggregat, ausgeliehen von einer benachbarten Baustelle. Im Erdgeschoss ist gerade Lagebesprechung der Elektriker. Wo genau das Wasser eindringen konnte, ist noch nicht geklärt. Der Keller ist mit Fluttüren gesichert, bei einer hielt offenbar eine Dichtung nicht. Fest steht nur, dass die Flut den Stromkreislauf unterbrochen hat. Mit dem Strom sind auch Telefon und EDV, Heizungs- und Wasserversorgung in dem vor vier Jahren grundsanierten Bau ausgefallen.

Zuversichtlich stellt zwar der Betreuer des Gebäudemanagements IVG in Aussicht, dass schon heute Licht und Heizung wieder funktionieren sollen. Außer ihm scheint jedoch niemand so recht daran zu glauben. „Gut wär es“, sagt eine Verkäuferin im Speicher zurückhaltend, und zwei MitarbeiterInnen von Greenpeace, die in einem Bus vor dem Eingang Position bezogen haben, haben sich darauf eingestellt, „dass wir bis Mittwoch hier bleiben werden“.

Die beiden fangen die KollegInnen ab, um sie per Shuttle-Service zum Aktionsmittellager zu geleiten, wo notdürftig weitergearbeitet wird. Auch Vereinsmitglieder und Interessierte haben hier eine Anlaufstelle. Infobroschüren hätten sie im Bus zwar keine gebunkert, sagt Netzwerk-Campaigner Unnolf Kleber, „aber daran soll es nicht scheitern“. Will jemand ausgerechnet in diesen Posthochwasserzeiten Infomaterial, springt Kleber eben in die Zentrale der Umweltschützer in den zweiten Stock hinauf. Er darf in das Haus rein, Unbeteiligten ist der Zutritt verboten.

Der Inhaber des Restaurants und Bistros im Erdgeschoss muss ebenfalls seine Pforten geschlossen halten. Mit Kerzen könnte man die Räume zwar ausleuchten, Essen kühlen und kochen kann man damit hingegen nicht. Seit Samstag muss-ten sämtliche gebuchten Feiern abgesagt werden.