: Die PDS muss turnen: Ohne Spagat geht es nicht
■ Die Basis denkt vor, die Partei folgt nur widerwillig. Bei Themen wie Asyl, Innerer Sicherheit und Drogenpolitik sind die Wähler konservativer, als es das Programm erlaubt
Es ist ein prima Klischee“, sagt der Sprecher des Berliner PDS-Landesverbandes, Axel Hildebrandt, „dass die PDS-Basis konservativ ist und die reformorientierten Ansätze der Führung nicht mitträgt.“ Die Basis sei diskussionsfreudig, fügt er vieldeutig hinzu. Natürlich denke die Führung vor, aber das bedeute nicht, dass sie die Basis hinter sich lasse.
Das ist nicht die ganze Wahrheit. Bei Themen wie Asyl, Innere Sicherheit und Drogenpolitik besteht, gelinde gesagt, Vermittlungsbedarf. In der Drogenpolitik etwa fordert die PDS-Bundestagsfraktion die Legalisierung von Cannabis, die Substituierung durch Heroin an Schwerstabhängige und die Bereitstellung von so genannten Fixerstuben. Die PDS-Bundestagsvizepräsidentin Petra Bläss räumt ein: „Ein Großteil der Basis denkt in diesen Fragen sicher restriktiv.“
Auch in der Außenpolitik besteht ein Dissens zwischen Parteiführung und Basis, wobei letztere auch nicht einheitlicher Meinung ist. Die Bundestagsfraktion hat vor kurzem in einem Diskussionspapier niedergelegt: „Wer sich zum Gewaltmonopol der UNO bekennt, müsse grundsätzlich auch bereit sein, solche Missionen zu unterstützen.“ Damit überfuhr sie die Basis, in der es noch starke Ressentiments gegen westlich dominierte internationale Bündnisse gibt.
Aber auch die PDS-Parlamentarierin Marion Seelig begehrte auf: „Es löst bei uns Irritationen aus, wenn wir Beschlüsse zu Krieg und Frieden aus der Zeitung erfahren müssen.“ Jetzt müsse man diesen Punkt in Diskussionen nacharbeiten.
Während sich die Parteispitze nach vorne bewegt, um bei der europäischen Linken nicht isoliert zu werden und, wie Parteisprecher Hildebrandt sagt, mehr in „die Mitte der Gesellschaft hinein argumentiert“, stagniert ein „Teil der Basis in ostdeutscher Mentalität“ (Seelig). Viele lebten ein Nischendasein und wollten nicht viel mit der Gegenwart Deutschlands zu tun haben. Als typisch empfindet Seelig immer wieder „ein diffuses Misstrauen gegen moderne Kommunikationsmittel“.
Manfred Güllner von Meinungsforschungsinstitut Forsa spricht sogar von einem „Sektenverhalten“, das ein Teil der Basis an den Tag lege. Ihr Kern bestünde nach wie vor aus der alten DDR-Elite, die das Neue Deutschland lese und in ihrem Denken insgesamt rückwärts gewandt sei. „Die PDS ist eine nicht reformorientierte konservative Partei“.
Meinungsforscher Güllner gesteht der Spitze der PDS das Bemühen zu, ihre Basis aus „dem Ghetto heraus zu führen“. Davon hänge auch ab, ob „die PDS auf Dauer überlebt“. Wenn die SPD mitspiele, könne sich die PDS auf Dauer als linke Partei neben der SPD positionieren, glaubt Güllner. Die Grünen, die bislang diese Rolle eingenommen hätten, würden in diesem linken Spektrum künftig kaum noch ein Rolle spielen. Güllner: „Die Grünen haben sich in der Mitte zwischen SPD und CDU positioniert. Sie sind eine bürgerliche Partei.“
Die Positionierung der PDS als Partei links von der SPD und nicht ausschließlich als ostdeutsche Regionalpartei ist auch nach Ansicht des PDS-Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch nötig. Bartsch sieht nur in der „Weiterentwicklung“ des PDS-Programms, also dem Kurs der Funktionäre, eine Chance fürdie Zukunft. Das Bekenntnis zur pluralistischen Demokratie, zu Markt und Rechtsstaat müsse deutlich formuliert werden.
Auf diese Weise kann die PDS vor allem die jungen szeneorientierten und links sozialisierten Wähler im Westen an sich binden, von denen sie schon jetzt gewählt wird. Sprecher Hildebrandt: „An der Basis in Landesverbänden wie Hamburg wird immer noch von der Weltrevolution schwadroniert.“ Diese PDS-Wähler sind also zu links. Die PDS ist eine Spagatpartei. Annette Rollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen