ber die generelle Praxis unterrichtet“

Die in der „Bild“-Zeitung dokumentierten Vernehmungsprotokolle des Geheimkassierers von Helmut Kohl zeigen: Nicht nur der CDU-Vorsitzende und seine Schatzmeister wussten von schwarzen Kassen  ■   Von Christian Füller

Berlin (taz) – Die Aussagen des Steuerberaters Horst Weyrauch gegenüber der Staatsanwaltschaft in Augsburg, die die Bild-Zeitung gestern veröffentlichte, lassen einen ersten Blick darauf zu, wie sich die finanztechnische Seite des Systems Kohl gestaltete. Weyrauch war der Spendenverwalter des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Die Vernehmung illustriert auch, wie die Übergabe der Millionenspende in der Schweiz vonstatten ging.

Weyrauch arbeitete seit 1972 beratend für Walther Leisler Kiep, den Ex-Schatzmeister der CDU. Hauptberuflich war Weyrauch zunächst Angestellter einer Treuhandgesellschaft. Später hatte er eine eigene Kanzlei, die heutige Weyrauch & Kapp GmbH. Die Kanzlei führte „Treuhand-Anderkonten“ für die CDU – das waren Sonderkonten verschiedener Geheimhaltungsstufen.

Laut Weyrauch gab es zwei Sorten Konten: Spendenkonten, von denen die Partei jeweils ein Buchungsdoppel erhielt, und Vorkonten „im engeren Sinne“. Von ihnen erfuhr die CDU sporadisch. Der Bundesschatzmeister erhielt „in Einzelfällen“ davon Kenntnis. Das bedeutet, falls Weyrauch die Wahrheit sagt, dass die Kassierer der CDU sehr wohl wussten: Es gibt verdeckte Konten. Damit dürfte eigentlich klar sein, dass sowohl die Geschäftsführer als auch die Generalsekretäre der Partei im Prinzip Bescheid wussten. Weyrauch bestritt dies aber: „Die Bundesgeschäftsstelle erhielt vom Bestand dieser Konten grundsätzlich keine Kenntnis“, sagte er – und machte klar, dass die Leitung der CDU dennoch hätte Bescheid wissen müssen. Wenn nämlich, wie oft, Zahlungen aus dem schwarzen in den offiziellen Geldkreislauf flossen, kennzeichnete Weyrauch dies mit dem Vermerk „sonstige Einnahmen“. Es hätte daher „sicherlich der Fall sein müssen“, sagte Weyrauch dazu, dass die Bundesgeschäftsstelle von weiteren verfügbaren Mitteln wusste.

Kiep und Weyrauch versuchten durch die Geheimhaltung der Konten zu verhindern, dass „die Namen der Spender [. . .] auf dem offen Markt gehandelt werden“ – sprich: auf den Fluren des Konrad-Adenauer-Hauses. Weyrauch selbst musste also logischerweise wissen, woher das Geld kam, das auf die Geheimkonten floss. Vor der Staatsanwaltschaft Augsburg machte er aber keine Aussagen über Spender oder Umfang der Spenden auf das Schwarzkonto.

Helmut Kohl kannte, ganz seiner generösen Haltung entsprechend, zwar keine Details der Buchführung. Aber er wurde, wie Weyrauch aussagte, „von Dr. Lüthje über diese generelle Praxis unterrichtet“.

1 Million in bar: ungezählt „in einem Behältnis“

Die Übergabe der Million Mark in bar, die das ganze System Kohl zum Auffliegen brachte, mutet nach Weyrauchs Schilderung wie eine Szene aus einem schlechten Krimi an. Kiep informierte Weyrauch, er solle mit ihm in die Schweiz fliegen – um eine Million cash in Empfang zu nehmen. Eine besondere Transaktion scheint dies indes gar nicht gewesen zu sein. Weyrauch: „Wenn ich gefragt werde, welche Vorkehrungen ich für den Transport des Geldes nach Erfolg der Übernahme getroffen habe, muss ich sagen, keine.“

Wieso musste überhaupt Weyrauch mitfliegen? Uwe Lüthje, Generalbevollmächtigter der CDU und ebenfalls ein Kohl-Getreuer, konnte oder wollte nicht. Er hatte gerade Zoff mit Schatzmeister Kiep oder, in den Worten Weyrauchs: ein „äußerst angespanntes Verhältnis“ – wegen des Parteispendenprozesses, in den Kiep in den 80ern verwickelt war.

Die Geldübergabe selbst geht praktisch anonym vonstatten. Weyrauch sagt, er habe den Namen des Spenders, der ihm gleich eine Million in die Hand drücken wird, nicht recht verstanden. Er habe sich aber weiter keine Sorgen gemacht, denn Kiep habe die Sache souverän geregelt. Der Schatzmeister stellte Weyrauch vor – ohne dessen Funktion zu nennen. Kiep, so Weyrauch, „äußerte gegenüber dem Dritten, er müsse keine Sorge haben, ich sei zuverlässig.“

Ohnehin vertraute man sich: Weyrauch nahm „im Stehen auf dem Flur von dem Dritten ein Behältnis in Empfang“ – das Geld; nachgezählt wurde nicht. Die Hausbank Weyrauchs empfiehlt dann, „damit auf den Kassenstreifen [. . .] nicht der auffällige Einzahlungsbetrag von einer Million DM in bar erscheint“, das Geld in kleinere Beträge zu stückeln.

Weyrauch stellte seine Teilnahme an der Geldübergabe in bar als „Einzelfall“ dar. Er konnte allerdings dem Staatsanwalt nicht erklären, warum die CDU mehrfach für ihn Flüge in die Schweiz an den Geldübergabeort bezahlte: „Auch auf Vorhalt, dass solche Reisen in die Schweiz zum Teil wöchentlich vorkamen, erkläre ich, dass mir der genaue Grund nicht mehr in Erinnerung ist.“