Kindergeburtstag der Avantgarde

■ Freejazz und Konzeptkomposition: Das „Erste Improvisierende Streichorchester“

Das Erste Improvisierende Streichorchester führt die Einmaligkeit seines Programms schon im Namen. Und pocht damit auf einen Rang, der ihm von keinem anderen Ensemble je abgelaufen werden kann.

Der Narrenfreiheit schien beim Jubiläums-Auftritt Ende November also Tür und Tor geöffnet. Aber auch im Monsun-Theater stand – wie überall, wo das E.I.S. in den 15 Jahren seinen Bestehens aufgespielt hat – zunächst die Frage im Raum: Ist das noch Musik? Augenscheinlich ja, wäre man angesichts von knapp 20 über diverse Viersaiter gebeugten Leuten durchaus zu antworten geneigt – würden sie nicht eine Geräuschkulisse produzieren, die auch ganz andere Ziele verfolgt: Mit Kratzen, Schaben und Pochen wird Lautmalerei betrieben, mit Gestik und Ringelreihen noch dazu eine theatralische Inszenierung geliefert.

Diese Art zu improvisieren wirkt im Konzert wie ein Ritus und funktioniert doch über Verabredung. So hat sich die aktuelle Besetzung (knapp die Hälfte davon aus Hamburg) einen „Grundtonschatz zwischen Freejazz, Swing, postmodernen Kompositionen, Konzeptimprovisationen, Landart Music und Performance“ erarbeitet und ein, wenn man so will, festes Repertoire, mit dem nun auch die erste CD Senza Misura bestritten wurde.

Ganz so maßlos, wie der Titel nahelegt, musiziert das Orchester jedoch nicht. Zwar geht es weite Wege, um vom größten gemeinsamen Nenner zum kleinsten gemeinsamen Vielfachen zu finden, aber zwischen diesen Momenten lauern naturgemäß die Längen. Phänomenal bis zum Gehtnichtmehr sind die Namen der einzelnen Stücke: von „Wasserfall“ über „Wolken“ bis „Tupfgemälde“. Und eines heißt sogar „Wale“, was nun wirklich bei Höchststrafe verboten ist.

Ein Kritiker hat dem EIS vor Jahren das Etikett „zwischen Avantgarde und Kindergeburtstag“ verpasst. Das kennzeichnet die Aura dieses Ensembles auch heute noch ganz treffend. Dass es sich als so langlebig erwiesen hat, kann als mittleres Wunder gelten. Man wünscht ihm auch weiterhin alle Zeit der Welt. Und die Courage, sich selbst und dem Publikum bitte noch mehr zuzumuten.Andreas Schäfler

Bezugsquelle der CD: Lutz Wernicke, Weisestr. 56, 12049 Berlin. E-mail: l.wernicke§proaudio.de