Sozialismus in der Chefetage

Helmuth Markov ist Mittelständler und Europa-Abgeordneter der PDS. Mit der Wirtschaftspolitik der Partei ist der „linke Unternehmer“ nicht immer einverstanden    ■ Von Richard Rother

Markt und Sozialismus – ein ew'ger Antagonismus. So lernten es Millionen Ostdeutsche im Staatsbürgerkunde-Unterricht. Zehn Jahre nach der Wende sieht alles ein wenig anders aus: Die PDS bemüht sich als ostdeutsche Volkspartei, kleine und mittelständische Unternehmer aus den Regionen in ihre Reihen zu kriegen. Unternehmer, die sich wegen drohenderArbeitslosigkeit meist unfreiwillig dazu entschlossen.

Helmuth Markov ist einer dieser „linken Unternehmer“, wie er sagt. Seit zwei Jahren besitzt er eine kleine Wasserspeicherfabrik in Hennigsdorf, einer aufstrebenden Kleinstadt im Berliner Speckgürtel. Die Firma liegt versteckt auf dem riesigen Werksgelände des Schienenfahrzeugherstellers Adtranz.

Vom Speckgürtel-Aufschwung ist hinter einer Stahltür nicht viel zu spüren. Das enge Treppenhaus ist nur spärlich beleuchtet, die Wände sehen aus, als wären sie zum XI. Parteitag der SED das letzte Mal gestrichen worden.

„Wie jedes Unternehmen führen wir einen täglichen Kampf um neue Aufträge“, sagt der Geschäftsführer der LEW Warmwassersysteme GmbH und krault sich den grauen Bart. Die Situation des Unternehmens sei schwierig – die Baubranche kriselt. „Da herrscht ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb.“ Markov steckt sich eine Zigarette an – Marke Club, Geschmacksrichtung Menthol.

Dennoch stimmt er nicht in das übliche Unternehmer-Klagelied ein, dass Steuern, Löhne und Sozialabgaben zu hoch seien. „Das Ausschlaggebende ist die Auftragslage. Wenn ein Unternehmen genügend Ertrag hat, stören hohe Abgaben nicht.“ Markov öffnet das Bürofenster und blickt in die Fabrikhalle. Kein Tageslicht dringt in das spartanisch eingerichtete Chefzimmer.

Prinzipiell findet Markov die Wirtschaftspolitik der Partei richtig, von der so mancher befürchtet, sie wolle die Kapitalisten enteignen. „Ein Unternehmer muss auch Geld verdienen dürfen.“ Spannungen mit Partei-Positionen bleiben nicht aus. Der 47-jährige PDS-Europa-Abgeordnete kritisiert den Wunsch seiner Parteigenossen, die Ostlöhne rasch an das Westniveau anzugleichen. Die Forderung sei berechtigt, aber nicht so schnell zu erfüllen.

Nicht glücklich ist Markov auch mit Vorstellungen aus der Partei, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu verkürzen. Zwar sei es grundsätzlich möglich, die vorhandene Arbeit umzuverteilen – nicht aber in jedem Einzelfall. „Man kann zu zehnt keine Oper schreiben“, meint der Unternehmer.

Die PDS plant einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik: Weg von der angebots- und hin zur nachfrageorientierten. „Umverteilung von oben nach unten ist eine dringliche Zukunftsaufgabe“, heißt es im Programm zur Bundestagswahl.

Markov – ein Einzelunternehmer, der auffällig oft gesamtwirtschaftlich argumentiert – unterstützt diese Haltung, die die Kaufkraft der Bevölkerung steigern will. Würde durch mehr Inlandsnachfrage die Konjunktur anspringen und die Arbeitslosigkeit zurückgehen, würde sich das Problem hoher Sozialabgaben von selbst erledigen.

Der Unternehmer Markov fühlt sich in der PDS gut aufgehoben, weil sie für soziale Gerechtigkeit eintrete. Gerechtigkeit heiße aber nicht Gleichheit. „Wer schindert wie ein Verrückter, soll auch ordentlich Geld verdienen.“ Markov zieht mit Genuss an seiner Zigarette. Aus der Maschinenhalle sind Schweißgeräusche zu hören.

Markov, das ehemalige SED-Mitglied, ist jetzt Mittelständler – jedenfalls wenn man ostdeutsche Maßstäbe für diese Definition anlegt. 20 Mitarbeiter, darunter ein Lehrling, erwirtschaften 3,5 Millionen Umsatz jährlich.

Mit seinem Unternehmen ist er Mitglied im PDS-nahen Unternehmerverband Owus. Der Verband mit dem DDR-typischen Bandwurmnamen „Offener Wirtschaftsverband von Klein- und mittelständischen Unternehmen, Freiberuflern und Selbständigen (OWUS)“ hat in Berlin-Brandenburg rund 150 Mitglieder. Überwiegend sind dies sehr kleine Unternehmen, sagt Heinz Schugowski, Vizechef des Landesverbandes. In dem branchenoffenen Verband sind Rechtsanwälte, Unternehmensberater, Handwerker, Reisebüros, Versicherungsmakler organisiert – überwiegend ostdeutscher Provenienz. Markovs LEW ist schon eines der größten Mitgliedsunternehmen im Berliner Raum. „Die PDS ist eben nicht die klassische Partei des kleinen Unternehmers.“

Die Verbandsmitglieder tun dennoch, was sie können: Man tauscht sich aus, schustert sich gegenseitig Aufträge zu, besucht eigens organisierte Informationsveranstaltungen über steuer- oder arbeitsrechtliche Fragen. Darüber hinaus betreibt Owus klassische Lobbyarbeit, beteiligt sich an parlamentarischen Anhörungen, bringt Unternehmerthemen in die PDS. Das scheint nötig zu sein: „An der Basis gibt noch Vorbehalte gegen Unternehmer“, sagt Owus-Mitglied Detlef Mielitz, Kleiderhändler aus Neuenhagen bei Berlin. Die Meinung: „Ein Kapitalist ist ein Ausbeuter, der kann kein Sozialist sein.“

Wie Mielitz ist Markov von den Steuerplänen seiner Partei sehr angetan: Spekulationssteuern einführen, Rückstellungen der Großkonzerne versteuern, Steuerfreibetrag für untere Einkommen erhöhen, Vermögensteuer einführen. Davon würde Markov indirekt profitieren. Mit den Steuer-Mehreinnahmen, die die Kleinunternehmer nicht belasteten, ließen sich Konjunkturprogramme finanzieren.

Darüber hinaus fordert die Partei, die Mehrwertsteuer für so genannte Luxusgüter auf 21 Prozent zu erhöhen und den Steuersatz für Dienstleistungen auf 7 Prozent zu senken. Das nützte Markov direkt – schließlich zählen Handwerker zu seinen Abnehmern.

Im Fall Horno hat sich Markov gegen seine Partei gestellt, die das Lausitzer Dorf erhalten will. Horno soll einem Braunkohle-Tagebau weichen. Für Markov ist entscheidend, dass durch den Tagebau Arbeitsplätze in der Region gesichert werden. Allerdings hätten auch die Gegner dieses Projekts sehr gute Argumente gehabt, betont er. „Aber manchmal muss man sich für eine Sache entscheiden.“ Aus der Fabrikhalle dringt ein Schwall ölig riechender Luft in die Chefetage – der Duft des Sozialismus.