Soulboy mit Stil

Auch die Songwriter-Legende Chuck Prophet stellt sich dem Beat  ■ Von Jörg Feyer

Die Herausforderung, sie liegt auf der Hand für den traditionell inspirierten, doch ambitionierten Songwriter der 90er-Jahre, der nicht als trauriger Wiedergänger bauchnabelzentrierter Seventies-Ikonen enden will. Von wegen: Beats und Grooves! Electronica! Mal weg vom bloß Narrativen zu den immer gleichen, alten Ackorden.

Dass sich nun ausgerechnet Chuck Prophet mit seinem neuen und inzwischen fünften Solo-Album The Hurting Business dieser Herausforderung stellen würde, lag indes nicht so klar auf der Hand. Immerhin ist dies der Mann, der seine Gitarre 1988 für Green On Red auf dem fiebrigen Rock –n Roll-Monument Here Come The Snakes verewigte – dem besten Album, das die Stones Ende der 60er nicht gemacht haben. Der Mann, der immer wieder gern die kreative Nähe zu altgedienten Legenden und Mythenmachern wie Jim Dickinson (Big Star, Replacements etc.), Al Kooper (Dylan) und Lee Hazelwood suchte. Der Mann, der zuletzt mit Homemade Blood noch zum ungefiltert-rauschenden Americana-Fest geladen hatte.

Mit seinem vierten Solo-Album war Prophet wieder da gelandet, wo er vermutlich nach wie vor am besten aufgehoben ist, nämlich bei einem anständig geführten Indie-Roots-Label. Der Mann aus San Francisco, der den Mythos seiner blumenbekränzten Heimatstadt im rotzigen „22 Fillmore (piss and moan)“ so schön torpedierte, ist eben doch kein Tom Petty, der 30 Jahre Pop-Geschichte mal eben auf den Hit-Punkt bringen könnte. Und für teils gewagte Vergleiche, die vom obligatorischen Gram Parsons über Paul Westerberg bis zu Bob Dylan reichen, konnte sich Prophet auch nichts kaufen.

Der Solo-Trip geriet ihm aber selbst nach der endgültigen Auflösung des Bandtorsos Green On Red 1994 nie zum Ego-Trip. Auf kreative Partner war und ist Prophet angewiesen. Die Rolle, die früher sein von latenter Hybris geplagter Gegenspieler Dan Stuart einnahm, besetzte er fortan wechselnd und weniger domi-nant. Da ist seine treue Gefährtin Stephanie Finch. Da ist der notorisch-ominöse Kumpel Klipschutz, der bis heute immer wieder als Co-Autor auftritt. Da sorgte 1995 auf dem zu eindimensional produzierten Feast Of Hearts ein Songwriter vom Format eines Jules Shear für den kompositorischen Feinschliff. Und zwischendurch schrieb Prophet noch was mit Southern-Soul-Ikone Dan Penn „Got A Feeling For Ya“ nämlich, das dann die göttliche Kelly Willis aufnehmen durfte.

Dass Chuck Prophet nun die oben beschriebene Herausforderung annehmen konnte, daran dürfte nicht zuletzt wiederum ein neuer Prophet-Partner seinen Anteil haben. Co-Produzent Jacquire King durfte zuvor auch schon an Tom Waits Mule Variations mittun, hat also Erfahrung im Erstellen zwielichter Sounds. Möglicherweise hat er Prophet geraten, nichts zu überstürzen, den Pfad der Erneuerung behutsam zu beschreiten.

So bleiben Prophets Texte launige Kinder seiner Rock'n'Roll-Sozialisation. „She don–t even know Elvis from El Vez“ höhnt er in „Apology“. Doch für „Shore Patrol“ durfte DJ Rise seine Turntables in Stellung bringen, „Dyin' All Young“ flirtet mit Rap und „I Couldn't Be Happier“ ein bisschen mit Trip-Hop. Was nur modisch klingen könnte, wirkt indes recht organisch und auch gar nicht verloren neben eher klassischen Prophet-Tracks.

Und wo bleibt die Gitarre? Die doch gerade Chuck Prophet so ökonomisch wie eloquent zu sprechen lassen weiß wie kaum ein anderer aus seiner Generation. Doch, da ist sie schon, nur nicht so stoisch und stolz im Zentrum wie zuvor. Auf der Bühne freilich dürfte sie wieder die Rolle spielen, die ihr in der Hand eines Meisters gebührt. Man muss es ja nicht übertreiben mit den Herausforderungen.

Di, 14. Dezember, 21 Uhr, Knust