Wir machen Marx daraus!“

■  Die taz sprach mit Entführern von zwei Bronzebüsten aus dem Otto-Suhr-Institut der FU

taz: Warum haben Sie die Büsten von Richard Löwenthal und Ossip K. Flechtheim entführt?

Eva*: Wir wollten eigentlich Otto Suhr abholen. Aber der war zu stark festgeschraubt.

Matthias*: Es handelt sich hier nicht um eine Entführung, sondern um eine Befreiungsaktion. Löwenthal und Flechtheim waren im Otto-Suhr-Institut dem völkischen Dozenten Bernd Rabehl hilflos ausgeliefert.

Gerade weil beide während des Nationalsozialismus „aus rassischen Gründen“ verfolgt wurden, haben sie es nicht länger ertragen, mit Rabehl unter einem Dach zu stehen.

Eva: Die beiden mussten während des deutschen Faschismus emigrieren. Sie stehen für die Demokratisierung Deutschlands. Dieses Anliegen wird durch das Wirken von Rabehl am Otto-Suhr-Institut negiert, der die Reeducation als „amerikanisches Brainwashing“ bezeichnet. Da die beiden zur Flucht nicht in der Lage waren, haben wir sie da rausgeholt.

Sind Sie Studenten am Otto-Suhr-Institut?

Eva: Der Streit um Rabehl geht alle an. Wir sind drei Entführer mit fünf Meinungen.

Weshalb haben Sie zu strafbaren Methoden gegriffen?

Matthias: Die Leitung der Freien Universität hat bis heute nicht eindeutig gegen die Positionen von Bernd Rabehl Stellung bezogen. Im neuen Semester hat sich die Zahl seiner Kurse sogar verdoppelt. Nach fast einem Jahr hat sich der Fachbereichsrat jetzt halbherzig von Rabehl distanziert. Von Rechtsextremismus ist darin nicht die Rede.

Warum lehnen Sie eine Diskussion mit Bernd Rabehl ab?

Eva: Um Umberto Eco zu zitieren: Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen dessen, was tolerierbar ist, festlegen.

Matthias: Rabehls rassistische Thesen sind nicht mehr tolerierbar.

In welchem Zustand befinden sich die Figuren?

Matthias: Es geht ihnen prächtig. Als erstes haben wir den Staub entfernt. Sie werden täglich poliert.

Sie fordern auch „Freiheit für Kunzelmann“. Was hat der selbst ernannte Aktionspolitologe mit der Sache zu tun?

Matthias: Wir sind der Meinung, dass man gesellschaftliche Probleme nicht isoliert betrachten darf.

Was werden Ihre nächsten Schritte sein?

Wenn die Uni-Leitung nicht sofort reagiert, flexen wir den beiden die Ohren ab. Wenn dann immer noch keine Antwort kommt, schmelzen wir sie ein und machen Karl Marx aus ihnen!

Wie lauten die Forderungen?

Matthias: Auf eigenen Wunsch wollen die beiden erst zurückkehren, wenn Bernd Rabehl in den diskursiven Ruhestand geschickt wird.

Eva: Außerdem muss die Entpolitisierung der Universität ein Ende haben. Meinungen wie die von Rabehl sorgen erst für Aufsehen, wenn sie in der rechtsradikalen Jungen Freiheit nachgedruckt werden, vorher nicht. Es ist kein Einzelfall, dass aus finanziellen Mitteln der Hochschule Rassismus in die Mitte der Mehrheitsgesellschaft transportiert wird.

Interview: taz

*Die Entführer ließen sich nur unter Pseudonym befragen.